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Drittklässlerin Marie hat ein Problem in Mathematik. In Aufgaben zu Addition und Subtraktion kommt sie nicht zu den richtigen Lösungen. Woran liegt es? Gibt es Muster in ihren Fehlern? Die Diagnosekompetenz der Lehrkraft ist jetzt gefragt. Und genau diese Kompetenz wird im Projekt D1MA2 an der Technischen Universität (TU) München, eingebunden in den Projektverbund DigiProMIN, mithilfe von Simulationen in Lehrkräftefortbildungen gestärkt.

Hat Marie vielleicht ein Problem mit dem Stellenwertverständnis? Fällt ihr also die Einteilung in Hunderter, Zehner und Einer schwer? Aus einem Aufgabenpool können Lehrer:innen in einem Online-Tool eine Aufgabe auswählen, die diese Schwierigkeit adressiert. Das Tool zeigt an, zu welchem Ergebnis die fiktive Schülerin gekommen wäre. „Und tatsächlich, die Schülerin macht hier einen Fehler“, schildert Michael Nickl, Mathematikdidaktik-Forscher an der TU München. Nun kann die Lehrkraft eine Hypothese formulieren, worin das Problem besteht und in der Simulation weitere Aufgaben für Marie auswählen.

Ihre Beobachtungen, Hypothesen und Schlussfolgerungen schreibt die Lehrkraft in dem Online-System auf – und bespricht ihre Diagnosen im Rahmen der Fortbildung. Hat sie zum Beispiel die passenden Aufgaben ausgewählt, um das Problem der Schülerin zu bearbeiten?

„Erkenntnisse lassen sich gut in die Praxis umsetzen“

Drei Präsenz-Fortbildungen gab es zu dem Thema – zwei in Studienseminaren in Bayern, eine am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Schleswig-Holstein. Und das Feedback der Teilnehmenden fiel positiv aus, berichtet Nickl. Eine Rückmeldung lautete: „Ich habe gelernt, wie Fehler einzuordnen sind und was dafür ursächlich sein kann.“ Eine andere: „Die Beispiele und Erkenntnisse lassen sich gut in die Praxis umsetzen.“

DigiProMIN, ein Verbund von insgesamt neun wissenschaftlichen Einrichtungen, steht beispielhaft für die Impulse, die das Kompetenzzentrum MINT in den vergangenen mehr als zwei Jahren in der Lehrkräftefortbildung gesetzt hat. Am 30. September 2025 endete die Förderphase der Projektverbünde im Kompetenzzentrum nach zweieinhalb Jahren Laufzeit.

Es ist eines von vier Kompetenzzentren sowie einer Transferstelle, die den Kompetenzverbund lernen:digital bilden. Er wird finanziert durch die Europäische Union – NextGenerationEU und vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) gefördert. Der Kompetenzverbund soll den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis für die Lehrkräftebildung und die digitale Transformation von Schule stärken. Zudem schafft er evidenzbasierte Angebote für die Professionalisierung von Lehrkräften und für die Schulentwicklung im Blick auf die Digitalisierung. Formate, die langfristig etabliert werden sollen.

„Es ist eine sehr, sehr große Bandbreite an Professionalisierungsangeboten entstanden“, berichtet Katharina Scheiter, Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam und wissenschaftliche Leitung von DigiProMIN sowie der Transferstelle vom Kompetenzverbund. Allein im MINT-Bereich seien es nahezu 100 Fortbildungsreihen und mehr als 200 Einzelmodule für die Weiterqualifizierung von Lehrkräften. Bereits beim virtuellen Messeformat Fachforum MINT im Juni hatte das Kompetenzzentrum einen umfassenden Einblick in die Angebote gegeben, wovon viele in den Broschüren des Kompetenzverbunds verzeichnet sind.

Kompetenzzentrum hat Fachlichkeit in Fortbildungen betont

Verantwortlich dafür waren insgesamt sechs Projektverbünde, in denen bundesweit 36 wissenschaftliche Einrichtungen zusammengearbeitet haben. Nach Ansicht Scheiters haben sie es geschafft, die fachdidaktische Ausrichtung von Fortbildungen zu betonen. Ein Punkt, den Daniel Pittich von der TU München, Sprecher des Kompetenzzentrum MINT, unterstreicht. „Ich denke, wenn es um eine Veränderung des Unterrichts geht, muss man zwingend noch stärker die Fachdidaktik und damit auch eine Fachlichkeit fokussieren.“

Besonders im MINT-Bereich birgt der digital gestützte Unterricht großes Potenzial. Stefanie Schwedler, Professorin für die Didaktik der Chemie an der Universität Bielefeld, veranschaulicht das mit einem Einblick in eine Fortbildung für Chemielehrkräfte. Das Problem sei, dass man Prozesse, die sich auf der kleinsten Teilchenebene abspielen, nicht sehen könne. Zugleich sind sie kompliziert. „Simulationen sind daher gerade im Bereich der Molekulardynamik sehr hilfreich.“

Die Vorgänge würden für die Schüler:innen nicht nur visualisiert. „Sie können tatsächlich auch etwas ausprobieren.“ Schwedler zeigt das auf einem Bildschirm anhand einer anschaulichen Teilchensimulation eines Gasgemisches. Es besteht aus dem farblosen Distickstofftetroxid und dem braunen Stickstoffdioxid. „Die Schüler:innen sehen erst mal, dass die Teilchen in ständiger Bewegung sind.“ Und: Die Jugendlichen können nun die Regler für die Temperatur oder den Druck verschieben und genau beobachten, wie sich die Teilchen neu anordnen und sich die Farbe des Gemisches verändert.

Simulationen aktivieren innere Vorstellungsbilder

„Das kann sehr lernwirksam sein, wenn die inneren Vorstellungsbilder der Schüler:innen aktiviert werden“, sagt Schwedler. Zugleich betont sie, dass Simulationen allein dazu nicht ausreichen. Es brauche einen klaren Arbeitsauftrag und eine strukturierte Begleitung der Schüler:innen durch die Lehrkraft. Sonst sei die Simulation Zeitverschwendung. Die entsprechende Fortbildung, eines der Angebote im Projektverbund LFB-Labs-digital, umfasst drei Präsenztermine. Sie findet in Zusammenarbeit mit den teutolabs statt, einem Schüler:innenlabor an der Universität Bielefeld.

Auch in den Angeboten, die im Kompetenzzentrum MINT zur beruflichen Bildung entstanden sind, hat die Simulation ihren festen Platz. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen etwa bietet im Projektverbund D4MINT „Simulationen beruflicher Handlungen am Beispiel des Schweißens“ an. Schüler:innen haben hier einen Schweißhelm mit integriertem AR-Display auf dem Kopf, tragen geeignete Handschuhe und haben einen Brenner in der Hand. Dann schweißen sie im virtuellen Raum.

„Wir zeigen hier nicht nur ein Video, sondern simulieren wirklich einen Teil der beruflichen Handlung“, sagt die Projektverantwortliche Anne Pursche. So lässt sich aus Fehlern lernen, etwa wenn die Haltung des Brenners falsch oder die Geschwindigkeit beim Schweißen zu hoch ist. Dass die Lehrkräfte das Gerät in den Fortbildungen selbst ausprobieren, ist in Pursches Augen wichtig. „Man muss so eine Simulation als Lehrkraft getestet haben, um entscheiden zu können, mit welchen didaktischen Zielen und wie man sie am besten im Unterricht einbindet.“

Jonny Kraft, Fachleiter für Metalltechnik am Staatlichen Studienseminar für Lehrerbildung in Thüringen, ist überzeugt: „An den Berufsschulen steht die berufliche Handlung immer im Zentrum. Wenn die Auszubildenden beispielsweise Schweißprozesse planen und im Laborunterricht umsetzen sollen, benötigt die Schule umfangreiche technische Voraussetzungen.“ Das könnten sich nur wenige Schulen leisten.

Professionalisierungsformate auch für den adaptiven, digital gestützten Unterricht

Die Beispiele stehen für die Potenziale, um Digitales – speziell die Möglichkeiten zur Diagnose, Veranschaulichung und Nachahmung – mit der Fachdidaktik zu verbinden. Zu den im Kompetenzzentrum MINT entwickelten Angeboten gehören aber auch fachübergreifende Professionalisierungsangebote für Lehrkräfte. Zu ihnen zählt ein Online-Selbstlernkurs zum adaptiven, digital gestützten Unterricht.

Entstanden ist er im Projektverbund MINT-ProNeD. Er soll Lehrkräfte darin unterstützen, den verschiedenen Lernvoraussetzungen der zunehmend heterogenen Schüler:innen zu begegnen. Dazu gibt es vier Module. Sie umfassen etwa eine Selbsteinschätzung zur bisherigen Umsetzung adaptiven Unterrichts und vertiefende, an die Selbsteinschätzung angepasste Videos und Texte zur Theorie. Auch Unterrichtsvideos und sogenannte Retrieval-Practice-Elemente zum aktiven Abrufen von Informationen wie Quizze sind Teil des Kurses, um das erworbene Wissen zu verankern.Angesichts der zunehmend heterogenen Schüler:innenschaft ist Adaptivität ein Schlüssel für gelingenden Unterricht. Viele Angebote des Kompetenzzentrum MINT adressieren das, so auch der Online-Kurs „Digital und Binnendifferenziert – Das Potenzial digital gestufter Lernhilfen für den Biologieunterricht“. Entstanden ist er im Projektverbund ComᵉMINT.

Software-Kompetenzen für den adaptiven Unterricht

Der Kurs vermittelt in frei wählbaren Modulen grundlegendes und vertiefendes Wissen zu Heterogenität und Binnendifferenzierung – etwa mit Videos, Gesprächen mit Expert:innen und weiterführenden Literaturverweisen. Zugleich schult das Format die Teilnehmenden darin, digital Lernhilfen zu erstellen, die an die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler:innen angepasst sind. Die kostenlose und quelloffene Software H5P ermöglicht es zum Beispiel, kleine Lerneinheiten wie Lückentexte oder Drag-and-Drop-Aufgaben zu erstellen. Die Schüler:innen können sie selbständig bearbeiten und erhalten eine direkte, automatisierte Rückmeldung.

In der Fortbildung „Dem Sehsinn auf der Spur – Einsatz von digitalen Technologien beim Experimentieren und Differenzieren“ des Projektverbunds MINT-ProNeD wiederum steht ein Experiment zum Farbensehen in Abhängigkeit von der Umgebungshelligkeit im Zentrum. In einem Teilmodul dieses Formats der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau geht es darum, wie Lehrkräfte mithilfe von PowerPoint adaptive digitale Begleitmaterialien für ihre Schüler:innen erstellen und nutzen können. Ziel ist es, dass die Schüler:innen ihren Lernprozess individuell selbst steuern.

Idee des „didaktischen Doppeldeckers“ prägt Angebote

Viele Kursangebote zeichnet aus, dass sie auch selbst adaptiv sind. Denn zum einen orientieren sich Inhalte an der Selbsteinschätzung der Lehrkräfte, zum anderen können die Lehrkräfte entscheiden, welche Inhalte sie vertiefen wollen und wann sie sich diesen Inhalten widmen. Das Prinzip des „didaktischen Doppeldeckers“, dass also Lern- und Lehrprozess gleichzeitig stattfinden, kommt damit zum Einsatz – genau wie bei der Fortbildung zum Schweißen, in der sich Lehrkräfte selbst im virtuellen Raum probieren mussten.

Wie geht es nun weiter mit den entwickelten Angeboten? Wichtig ist das Zusammenspiel mit den Landesinstituten und der Schulpraxis, um die Fortbildungen einem möglichst großen Kreis von Lehrkräften bekannt und zugänglich zu machen. Dabei spielt die Plattform ComPleTT eine wichtige Rolle. Katharina Scheiter ist optimistisch: „Wir haben Strukturen geschaffen, die auch längerfristig wirken können.“ Und die Bandbreite dessen, was man in den MINT-Fächern machen könne, sei noch lange nicht ausgeschöpft. Noch Mitte des Jahres hatte das Nationale MINT Forum bei der Vorstellung vom MINT-Frühjahrsreport 2025 unter anderem gefordert, die Qualität des Unterrichts zu sichern. „Um eine zeitgemäße und praxisnahe MINT-Bildung zu gewährleisten, müssen mehr gut ausgebildete Lehrkräfte gewonnen und gehalten werden“, hieß es. Die Arbeit des Kompetenzzentrum MINT bietet dafür zahlreiche Anknüpfungspunkte.

Text: Holger Schleper

Fotos: Phil Dera und Nadine Zilliges

Informationen zur länderübergreifenden Plattform ComPleTT

Mit der „Common Plattform for electronic Teacher Training“ (ComPleTT) unterstützen die Bundesländer den Transfer der Ergebnisse vom Kompetenzverbund lernen:digital in das bestehende System der Lehrkräftebildung. Im Kompetenzverbund haben die beteiligten wissenschaftlichen Einrichtungen zahlreiche Fortbildungen entwickelt, ausgestaltet, erprobt und evaluiert. Diese Angebote sollen weiter systematisch mit den Landesinstituten verzahnt werden.

Betreut wird ComPleTT von der „AG Digitale Formate in der Lehrkräftefortbildung“ unter der Federführung von Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Länder finanzieren die Plattform über die Kultusministerkonferenz (KMK), angesiedelt ist sie beim Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF). Bei der lernen:digital Tagung „Digitale Transformation für Schule und Lehrkräftebildung gestalten“ an der Universität Potsdam Ende September 2025 zählte das Potenzial der Plattform ComPleTT zu den viel diskutierten Themen.

lernen:digital Projektverbünde im Kompetenzzentrum MINT

ComᵉMINT: Der Verbund hat das Ziel, prototypische, digitalisierungsbezogene Professionalisierungskonzepte für MINT-Lehrkräfte und Multiplikator:innen zu entwickeln. Dabei liegt der Fokus auf den Fächern Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Physik & Technik und Sachunterricht. 

D4MINT: Die Entwicklung und nachhaltige Verankerung von Fortbildungen, um MINT-Lehrkräfte im Bereich digitaler Technologien zu professionalisieren, stehen im Zentrum des Verbunds. D4MINT kombiniert innovative Inhalte wie Data Literacy mit innovativen Formaten wie digitalen Experimentierwerkzeugen.

DigiProMIN: Der Verbund unterstützt Lehrkräfte der Fächer Mathematik, Informatik sowie der Naturwissenschaften, digitalisierungsbezogenen Kompetenzen für die Gestaltung guten Unterrichts mit digitalen Medien weiterzuentwickeln. Hierzu entwickelt er Professionalisierungsbausteine in der Fort- und Weiterbildung.

LFB-Labs-digital: Ziel des Verbunds ist es, Schüler:innenlabore als Lernorte für die digitale Lehrkräftefort- und -weiterbildung zu erschließen. Forschungsbasiert identifiziert der Verbund, was die Voraussetzungen sind, um diesen Ansatz in die Tat umzusetzen. 

LPI: Als „Länder- und phasenübergreifendes Interface der beruflich-technischen Bildung” stellt der Verbund die Digitalisierung des beruflich-technischen Lehrens und Lernens – in fachlicher, methodischer und medialer Hinsicht – ins Zentrum seiner Arbeit.

MINT-ProNeD: Ziel des Verbunds ist es, ein integratives Gesamtkonzept für die MINT-Lehrkräftebildung zu etablieren. Lehrkräfte können in diesen Netzwerken ihre Kompetenzen im Blick auf einen adaptiven, digital gestützten MINT-Unterricht weiterentwickeln.

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Lässt sich Künstliche Intelligenz (KI) gezielt nutzen, um Lehrkräften automatisiertes Feedback zu geben? Heather Hill glaubt: ja. Die Wissenschaftlerin der Harvard Graduate School of Education hat als Teil eines Forschungsteams ein Tool entwickelt, das nach Abschluss einer Unterrichtsstunde eine hochgeladene Audioaufnahme KI-gestützt analysiert. Die Rückmeldungen an die Lehrkraft reichen von einfachen Feststellungen zu den Redeanteilen von Lehrkräften und Schüler:innen im Unterricht bis hin zu komplexen Hinweisen – etwa, wie oft die Lehrkraft Ideen der Lernenden aufgreift.

Allerdings stellt sich auch die Frage: Welche Resonanz hat das Tool bei Lehrkräften, bei denen der Einsatz getestet wurde? Hier fällt das Fazit eher verhalten aus. Hill berichtet von einer Studie mit mehr als 220 Lehrkräften in Utah. Tatsächlich zeigte sich ein positiver Einfluss des KI-Feedback-Tools auf die Fragetechnik der Teilnehmenden. „Aber sehr viele Lehrkräfte griffen gar nicht erst auf das automatisierte Feedback zu“, berichtete Hill. Die E-Mails blieben ungelesen. In Tiefeninterviews zeigte sich dann, dass es einige Zweifel an der Genauigkeit des Tools gab und dass schlicht die Zeit fehlte, sich mit der Rückmeldung zu befassen.

550 Akteur:innen netzwerken an zwei Tagen

Hills Vortrag veranschaulicht: Durch den Einsatz von KI ist es möglich, auch die Professionalisierungsangebote für Lehrkräfte individueller zu gestalten. Aber es ist eine Herausforderung, diese Angebote zu etablieren und in die Breite zu tragen. Die Expertin für Lehrqualität setzte damit den Ton bei der Tagung „Digitale Transformation für Schule und Lehrkräftebildung gestalten“ des Kompetenzverbund lernen:digital am 29. und 30. September 2025 an der Universität Potsdam.

An zwei Tagen tauschten sich rund 550 Akteur:innen aus Wissenschaft, Bildungsadministration und Schulpraxis vor allem über Fortbildungen für Lehrkräfte aus, die das Ziel haben, die digitale Transformation in Schule und Lehrkräftebildung voranzubringen. „Die Projektverbünde können stolz sein auf das, was sie erreicht haben“, sagte Katharina Scheiter, Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam und Wissenschaftliche Leiterin der lernen:digital Transferstelle, zur Eröffnung der Tagung. 

Der durch den Bund geförderte Kompetenzverbund hatte seine Arbeit im Frühjahr 2023 aufgenommen, ein erster gemeinsamer Kick-off folgte am Jahresende. Während die wissenschaftliche Arbeit zu diesem Zeitpunkt an vielen Stellen noch in den „Kinderschuhen” steckte, hoffte Scheiter nun, dass manch eine:r beim Blick auf das Programm des mittlerweile „Zweijährigen” mit insgesamt 60 Sessions denkt: „Bist du aber groß geworden.“

Tagung zeigt die zentrale Rolle der Landesinstitute beim Transfer

Das galt sowohl für die inhaltliche, aber auch die Format-Vielfalt des Programms. Das Thema KI ist allgegenwärtig. Aber es ist nicht das einzige, das auf die Transformation der Schulen einzahlt. Unter anderem zu Partizipation, Multiprofessionalität und Demokratiebildung tauschten sich die Teilnehmenden aus. Podiumsdiskussionen und Vorträge in den Hörsälen, aber auch intensive Debatten in kleineren Kreisen in den Seminarräumen prägten die Tagung.

Gerade in diesen Community Workspaces und Transfer Cafés stand ein Thema besonders im Fokus: Wie gelingt die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis? Wie lassen sich wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis aufbereiten? Und wie können umgekehrt auch Praxiserfahrungen systematisch in die Bildungsforschung fließen? Das Forum Bildung Digitalisierung aus dem Arbeitsbereich „Gestaltung von Transfer“ der lernen:digital Transferstelle konzipierte die Formate und setzte sie um. Sie lenkten auch den Blick auf die Schnittstellenfunktion der Landesinstitute.

Die Tagung verdeutlichte, dass der Kompetenzverbund lernen:digital diese Rolle der Landesinstitute nochmal betont und auch den länderübergreifenden Austausch unterstützt. Allein in den Transfer Cafés waren zwölf Vertreter:innen aus sieben Instituten als Referent:innen vor Ort – vom Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein bis zum Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung Bayern. Gemeinsam mit der Wissenschaft loteten sie aus, wie eine nachhaltige Kooperation mit der Fortbildungspraxis aussehen kann.

Lehrkräfte selbst sehen ihre digitalen Kompetenzen durch Fortbildungen gestärkt

Trotz des vielfältigen Programms: Einige Fragen tauchten als verbindende Elemente auf dem Campus Griebnitzsee immer wieder auf. Dazu zählten auch die zu den Inhalten und Effekten der Fortbildungen, zum Potenzial und Grenzen von KI-Tools, aber auch zur Gestaltung und Bekanntmachung von Fortbildungsangeboten.

Tragen videobasierte Fortbildungsmodule zur Entwicklung der digitalen Kompetenzen von Lehrkräften bei? In der Session „Teaching on Tape“ ging Jennifer Janeczko von der Universität Münster als Teil eines hochschulübergreifenden Teams unter anderem dieser Frage nach. Basis der Untersuchung war der lernen:digital Projektverbund ViFoNet. Das Projekt vereint mehrere Fachrichtungen – etwa Deutsch, Fremdsprachenunterricht oder Wirtschaft – und bietet für Lehrkräfte zahlreiche Fortbildungsangebote. Unterschiedliche digitale Tools oder Medien stehen dabei im Mittelpunkt – von KI-Tools wie Stable Diffusion, um Bilder zu generieren, bis zur Plattform quop für die computergestützte Lernverlaufsdiagnostik.

So gibt es etwa von der Universität Münster ein sechsteiliges Selbstlernmodul zur differenzierten Leseförderung in der Grundschule – inklusive Unterrichtsvideo. An der Technischen Universität München wiederum können sich Lehrkräfte in fünf Kapiteln selbstständig zu aktuellen und praxisrelevanten Themen des Wirtschaftsunterrichts fortbilden, verknüpft mit zahlreichen Videos und Materialien.

ViFoNet bildete eine gute Grundlage, um herauszufinden, was videobasierte Fortbildungen bewirken können. Von knapp 240 Teilnehmenden unterschiedlicher Fortbildungen lagen Werte vor, wie sie etwa ihre digitalen Kompetenzen vor und nach den besuchten Veranstaltungen selbst einschätzten. Die Ergebnisse zeigen eine positive Entwicklung. Nach den Fortbildungen hielten sich die Lehrkräfte für digital kompetenter. Janeczko spricht von „hohen Effektstärken“, weist aber auch darauf hin, dass es noch aussagekräftiger wäre, die Messung digitaler Kompetenzen nicht allein über Selbsteinschätzungen abzubilden.

Einen positiven Effekt zeigte auch die Analyse von Online-Fortbildungsmodulen zum KI-gestützten Unterrichten für Französisch- und Spanisch-Lehrkräfte. Sowohl in einem AI-Literacy-Test als auch in einem selbst entwickelten KI-bezogenen Wissenstest erzielten die Lehrkräfte signifikante Zuwächse. Im Wissenstest etwa sollten die Lehrkräfte die Qualität von Prompts beurteilen, auf deren Grundlage die KI einen Unterrichtsverlaufsplan oder eine Textkorrektur erstellen sollte.

Fortbildungen helfen Lehrkräften, Nutzen von KI-Tools besser einzuordnen

Der Großteil der hier befragten 122 Lehrkräfte für Fremdsprachen gab nach den Veranstaltungen zudem an, mehr KI-Tools wie ChatGPT oder DeepL zu nutzen. Bemerkenswert: Es gab auch eine kleinere Gruppe, die den Einsatz der Tools sogar reduzierte. Für das Forschungsteam nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Es schilderte seine Eindrücke aus den Online-Seminaren, dass viele Lehrkräfte sich unter Druck gesetzt fühlten, KI-Tools nutzen zu müssen, weil das Thema so allgegenwärtig ist. Die Fortbildungen könnten ihren Beitrag geleistet haben, dass Lehrkräfte besser einordnen konnten, wann der KI-Einsatz sinnvoll ist.

Doch neue digitale Fortbildungen anzubieten, reicht allein noch nicht. Es braucht zudem Antworten auf die Frage: Wie gewinnt man Lehrkräfte dafür, die Angebote auch anzunehmen? Lehrkräfte wünschen sich häufig „Learning-Snacks“, schilderte Steffen Schaal vom Institut für Biologie der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg Erfahrungen aus dem Projektverbund ComeMINT. Also eher kurze, sehr fachspezifische Online-Inputs.

In der Abfrage der Bedarfe zu Fortbildungen habe man einiges gelernt, pflichtete Physik-Didaktiker Josef Riese von der Universität Paderborn bei. Das Interesse an einem zweistündigen Online-Kurs zu einem bestimmten Thema sei sehr begrenzt. Viele Lehrkräfte bevorzugen 10- bis 15-minütige Vertiefungen, die sie zum Beispiel in einer Freistunde nutzen können.

Das hochschulübergreifende Forschungsteam rund um Schaal und Riese nahm sehr genau in den Blick, wie sich (angehende) Lehrkräfte in den Naturwissenschaften mithilfe von Massive Open Online Courses (MOOCs), also offenen Online-Kursen für eine unbegrenzte Anzahl von Teilnehmenden, qualifizieren lassen. Vor dem Hintergrund, dass die Resonanz auf Fortbildungsangebote in Präsenz vielerorts nicht mehr so groß ist, gewinnt dieser Ansatz an Bedeutung. Schaal sieht in den MOOCs großes Potenzial und eine Brückenfunktion. Die Kurse können – richtig gestaltet – die sehr heterogenen zeitlichen, inhaltlichen und motivationalen Voraussetzungen der Lehrkräfte berücksichtigen.

Mehr als 200 Einzelmodule für die Weiterqualifizierung allein im MINT-Bereich

Insofern passen MOOCs zu einer Herausforderung, die Bernhard Stegmann, Direktor der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung im bayerischen Dillingen, ansprach. Häufig sei die Heterogenität in den Klassenzimmern Thema. „Wir haben aber auch eine große Heterogenität – gerade beim Thema digitale Bildung – in den Kollegien.“ Für die Fortbildungsebene sei das nicht leicht zu bedienen.

Die Potsdamer Tagung führte vor Augen, wie viel Bewegung der Kompetenzverbund lernen:digital im Bereich der Lehrkräftefortbildung gebracht hat. Volker Frederking, Professor für die Didaktik der deutschen Sprache und Literatur und Sprecher des Kompetenzzentrum Musik/Kunst/Sport betonte vor allem die große Fachlichkeit als Alleinstellungsmerkmal des Vorhabens und die Vielfalt der in den Projektverbünden entwickelten Fortbildungen.

Allein im Kompetenzzentrum MINT seien 96 Fortbildungsreihen und mehr als 200 Einzelmodule für die Weiterqualifizierung von Lehrkräften entstanden, hatte Katharina Scheiter bei der Eröffnung der Tagung berichtet. Viele der Angebote aus den vier Kompetenzzentren sind bereits in Broschüren für Lehrkräfte aufgelistet sowie in der Mediathek „Wissen und Formate” abrufbar.

Entstandene Fortbildungsangebote sollen auf Plattform ComPleTT abrufbar sein

Im kommenden Jahr endet der Förderzeitraum des gesamten Kompetenzverbundes, für die Projektverbünde im Kompetenzentrum MINT endete die finanzielle Förderphase bereits mit dem zweiten Tag der Fachtagung. Die weiteren Kompetenzzentren schließen ihre Arbeit in den nächsten Monaten ab, am längsten laufen noch die Arbeiten im Kompetenzzentrum Schulentwicklung bis März 2026.

Die drängende Frage lautet daher: Was wird von den vielen vorhandenen und noch entstehenden praktischen Angeboten und Impulsen für die Lehrkräftebildung zur digitalen Transformation bleiben? Eine Antwort bei der Tagung: Die Plattform ComPleTT soll zur digitalen Zentrale werden, die die Angebote bündelt und länderübergreifend zur Verfügung stellt. ComPleTT steht für Common Plattform for electronic Teacher Training und wird von den Ländern über die Kultusministerkonferenz finanziert. 

Hinter der Länderinitiative steht auch eine Kooperation zwischen den Landesinstituten und dem Kompetenzverbund lernen:digital, durch den ComPleTT, das bereits vor dem Start des Kompetenzverbunds existierte, noch mal einen Schub erhalten hat. Ziel ist es, „die in den Kompetenzzentren entwickelten passenden Fort- und Weiterbildungskonzepte in das Angebot der Bundesländer aufzunehmen und für alle Schulen zugänglich zu machen“, heißt es. Auf diese Weise können Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen individuell entscheiden, welche Inhalte des Kompetenzverbunds zu den eigenen Strukturen passen und sie in diese überführen.

Die Länder haben sich laut Katharina Scheiter entschieden, weiter in diese Plattform und deren Sichtbarmachung zu investieren. „Wir müssen gemeinsam mit den Ländern daran arbeiten, dass ComPleTT der Nucleus wird, wo man Fortbildungen findet.“

Text: Holger Schleper

Fotos: Phil Dera und Nadine Zilliges

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Beitrag von Josef Schaubruch (Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Hochschule für Musik Mainz)

Ausgangspunkt des Projektes MuTaPro war die Beobachtung, dass Lebenswelten von Heranwachsenden zunehmend durch digitale Medien und Technologien geprägt sind. Dies betrifft auch musikalische und sportliche Erlebnis- und Ausdrucksformen. Das Lehrprojekt adressierte deren Schnittmengen über eine Verbindung von digital gestützten, ästhetischen Praktiken. Hierzu wurden über zwei Semester einzelne Lehrveranstaltungen aus dem Lehramtstudium Musik und Sport zusammengelegt, wobei die Student:innen zusätzlich von Expert:innen der Kreativszene unterstützt wurden. Auf diese Weise wurden aktuelle, bislang im Studium eher unterrepräsentierte, (post)digitale Gestaltungs- und Bewegungspraxen intensiv künstlerisch und vermittelnd erprobt, angeeignet und reflektiert.

Inhaltlich wurden je einzelne Performance-Bausteine zu einem Thema entwickelt (im ersten Semester zu „KI und Community“, im zweiten Semester zu „Gesellschaft im Wandel“). Hierzu wurde im Fach Musik neben akustischen Instrumenten insbesondere mit Producing (mit GarageBand), VJing (mit GoVJ) und Künstlicher Intelligenz experimentiert, im Fach Sport mit Tanz unter Einbezug von Social Media und VR-Technologien. In der Performance wurden diese Praxen dann improvisatorisch miteinander verbunden.

Die Begleitforschung zeigt, dass die Student:innen die vielfältigen hybriden Ausdrucksmöglichkeiten einerseits als inspirierend, relevant und bereichernd einschätzten, sie diese aber andererseits auch mit erheblichem Aufwand assoziierten. Künftig wäre deshalb darauf zu achten, entsprechende Unterrichtskonzepte praktikabel zu halten – also erforderliche Ausstattung, Expertise und Zeit mit dem Zugewinn in Einklang zu bringen. Zudem wurde sehr deutlich, dass die Performances fachliche Aspekte zur Diskussion stellten: Hinsichtlich der Arbeit mit bspw. Live Loops und VR-Brillen wurde diskutiert, wie sich diese im Kontext bereits bestehender künstlerisch-ästhetischer Praxen des Faches aneignen und vermitteln lassen und wie die ästhetische Qualität der dabei entstehenden Produkte zu bewerten ist. Damit ergeben sich spannende Anlässe, den Musik- und Sportunterricht offen und mutig, aber auch mit Bedacht weiterzuentwickeln.

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Redaktion: Anna Hückelheim, Agentur für Bildungsjournalismus 

Über 200 Forschungs- und Entwicklungsprojekte umfasst der Kompetenzverbund lernen:digital. Organisiert in vier Kompetenzzentren – MINT, Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft sowie Musik/Kunst/Sport und Schulentwicklung – sind bundesweit verschiedene wissenschaftliche Institutionen beteiligt. Sie erarbeiten evidenzbasierte Fort- und Weiterbildungsangebote für digitalen und digital gestützten Unterricht, konkrete Materialien für diesen Einsatzbereich sowie Konzepte für die Unterrichts- und Schulentwicklung in der Kultur der Digitalität. Das Ziel: den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse rund um die Gestaltung digitaler Lehr-Lern-Prozesse und Schulentwicklung in die Praxis zu unterstützen und zu systematisieren – und somit eine echte Unterstützung für Lehrkräfte im Rahmen des digitalen Wandels zu schaffen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Frage, wie die wissenschaftlichen Projektergebnisse ihren Weg in die Schulen und Klassenzimmer finden, um dort wirksam werden zu können. Eine Antwort darauf sucht die Transferstelle des Kompetenzverbunds.

„Die Verzahnung mit der Praxis ist für den Transfer der Forschungsergebnisse unheimlich wichtig“, sagt Hanna Dumont, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Potsdam und eine der Bereichsleiterinnen im Handlungsfeld Transfer des Kompetenzverbunds. Eine Kooperation mit dem System der Lehrkräftebildung bietet verschiedene Vorteile. Sie ermöglicht sowohl die Fortbildungskonzepte mithilfe fachspezifischer Expertise an den Bedarfen der Lehrkräftebildung auszurichten als auch bei Übernahme die Lehrkräfte über die etablierten Fortbildungswege zu erreichen. Darüber hinaus kennen Akteur:innen in der Lehrkräftefort- und -weiterbildung die Bedarfe im jeweiligen Bundesland und wissen, welche Fragestellungen die Schulen und Lehrkräfte wirklich belasten.

Wissenschaft und Praxis zu verknüpfen, ist jedoch besonders im Bildungsbereich kein leichtes Unterfangen. „Transfer bedeutet immer, dass es ein Miteinander gibt“, erklärt Hanna Dumont. „Das setzt allerdings voraus, dass die Akteursgruppen, die involviert sein sollten, bekannt sind.“ Diese im föderalen Bildungssystem Deutschlands zu identifizieren, sei eine große Herausforderung gewesen. „Die zentralen Gruppen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland“, so Dumont. Neben den Landesinstituten für Lehrkräftebildung und Qualitätseinrichtungen der Bundesländer gehören teilweise kommunale Einrichtungen und Initiativen der Zivilgesellschaft dazu.

Strukturen verstehen, Vertrauen entwickeln

Um mit den unterschiedlichen Akteur:innen ins Gespräch zu kommen, setzt der Kompetenzverbund auf verschiedene Formate. Der persönliche Austausch steht beispielsweise im Mittelpunkt der sogenannten Roadshow. „Wir schaffen damit ein Angebot für die Landesinstitute, um in den Dialog mit der Wissenschaft zu kommen und sich direkt über die jeweiligen Erwartungen auszutauschen“, erläutert Michaela Weiß vom Forum Bildung Digitalisierung. Sie ist Bereichsleitung des Arbeitsbereichs „Gestaltung von Transfer“ im Kompetenzverbund und mitverantwortlich für Dialog- und Transferformate. 

Das Besondere: Die Vertreter:innen der verschiedenen Bereiche der Transferstelle besuchen die Landesinstitute persönlich – und zwar in allen Bundesländern. Auf diese Weise soll das Format „einen vertrauensvollen Raum“ kreieren, „in dem wirklicher Austausch auf Augenhöhe stattfindet“. Nicht nur sollen die Beteiligten die jeweiligen Strukturen des anderen kennenlernen, sondern auch in den Dialog kommen. Den Kern der Roadshow bilden daher Thementische, an denen sich die Wissenschaftler:innen aus dem Kompetenzverbund und Mitarbeitenden der Landesinstitute darüber beraten, wie sich eine Zusammenarbeit nachhaltig gestalten lässt. Die persönliche Begegnung sei dabei unheimlich wichtig, „um ein Gespür füreinander zu bekommen“, so Michaela Weiß.

Dem Prozess des gegenseitigen Kennenlernens misst auch Hendrik Stammermann von der Stabsstelle Wissenschaftstransfer des Hamburgischen Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) viel Bedeutung zu. „Um die Beziehung aufzubauen, die es braucht, um nachhaltig miteinander arbeiten zu können, muss man sich persönlich kennenlernen“, ist Stammermann überzeugt. Die Roadshow habe dazu enorm beigetragen – und die Akzeptanz des Kompetenzverbunds innerhalb des Landesinstituts erhöht. „Der Besuch der Transferstelle inklusive der Leitung in unserer Komfortzone hat bei uns viele Türen geöffnet und die Relevanz des Projektes deutlich werden lassen.“ Ein wichtiger Schritt, bedeutet die Übernahme der Projektergebnisse für das Landesinstitut doch erst einmal Mehrarbeit, wie Stammermann erklärt.

Systembedingte Herausforderungen kennenlernen

„Im Kompetenzverbund entstehen ja über 200 Produkte, die wir durcharbeiten müssen, um zu entscheiden, welche wir übernehmen wollen. Selbst wenn es für alle Produkte eine einseitige Übersicht gibt, sind das immer noch 200 Seiten“, sagt Stammermann. Hinzu komme, dass das Landesinstitut Konzepte eventuell landesspezifisch anpassen und seine Fortbildner:innen schulen müsse, damit diese die Fortbildungen selbst kompetent durchführen könnten. Darüber hinaus gelte es, sich zu entscheiden, wie sich die kognitive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Fortbildungsinhalten prüfen lasse. Reicht schon allein die Teilnahme am Kurs für ein Zertifikat oder müssen die Teilnehmer:innen am Ende eine bestimmte Leistung erbringen? „Die Übernahme ist kein trivialer Prozess“, so Stammermann, auch wenn die Konzepte kostenfrei zur Verfügung stehen. So können die Landesinstitute über die länderübergreifende Plattform ComPleTT zwar direkt auf Inhalte zugreifen und diese mit Wissenschaftler:innen kollaborativ bearbeiten, doch zusätzliche Ressourcen erhalten sie dafür nicht. „Das bedeutet, um die Projekte nutzen zu können, müssen wir zunächst investieren.“

Unterstützung sollen an dieser Stelle die im Kompetenzverbund entwickelten Qualifizierungsangebote für Multiplikator:innen bieten. Sie „dienen auch explizit dem Zweck, Fortbildner:innen für die Durchführung der im Kompetenzverbund entwickelten Fortbildungen zu qualifizieren. Dies ist ein wichtiger Baustein für den nachhaltigen Transfer der Projektergebnisse in die Länder“, erklärt Isabell van Ackeren-Mindl, Professorin für Bildungssystem- und Schulentwicklungsforschung an der Universität Duisburg-Essen und Leiterin des Bereichs „Qualifizierung von Multiplikator:innen“ in der Transferstelle. „Die Angebote zielen auf ein breites Spektrum professioneller Handlungskompetenzen ab“, führt van Ackeren-Mindl weiter aus. Neben fundierten fachlichen und fachdidaktischen Fähigkeiten stehen unter anderem spezifische Methodenkompetenzen für die Erwachsenenbildung im Mittelpunkt, digitale Kompetenzen sowie die Fähigkeit, Schulentwicklungsprozesse zu begleiten oder Qualitätsentwicklungskonzepte zu erarbeiten und umzusetzen. Ein besonderer Fokus liege auf der Kompetenz, theoretisches Wissen und praktische Umsetzung miteinander zu verbinden.

Vernetzung auf verschiedenen Ebenen

„Für den Erfolg des Kompetenzverbunds ist die Qualifizierung der Multiplikator:innen entscheidend“, betont Manuela Endberg, die als Teil des Teams von van Ackeren-Mindl eines der entsprechenden Projekte leitet. Schließlich schulen die Fortbildner:innen wiederum die Lehrkräfte und beeinflussen dadurch maßgeblich, „wie wirksam neue Konzepte und Materialien in der Schulpraxis ankommen und umgesetzt werden“. Die im Kompetenzverbund geförderte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und den Landesinstituten beziehungsweise Qualitätseinrichtungen der Länder soll dabei „gewährleisten, dass die Angebote zur Qualifizierung sowohl wissenschaftlich fundiert als auch praxistauglich sind“. Unterstützung bietet in diesem Zusammenhang der vom Forschungsteam der Universität Duisburg-Essen initiierte „Arbeitskreis Multiplikator:innen“. Regelmäßig bringt dieser Vertreter:innen aus Landesinstituten beziehungsweise Qualitätseinrichtungen fast aller Bundesländer und Wissenschaftler:innen des Kompetenzverbunds zusammen. Mit ihm verbindet sich die Erwartung, systematisches Wissen über die Rekrutierung, Qualifizierung und den Einsatz von Multiplikator:innen in den staatlichen Fortbildungsstrukturen aufzubauen. Dafür dient eine im Arbeitskreis ko-konstruktiv entwickelte Befragung der Landesinstitute. Gleichzeitig erleichtert der Arbeitskreis den länderübergreifenden Austausch zu bewährten Qualifizierungskonzepten und kann zur Entwicklung gemeinsamer Qualitätsstandards beitragen.

Direkt mit einzelnen Fortbildungskonzepten auseinandersetzen können sich Multiplikator:innen in der Veranstaltungsreihe Boxenstopp des Kompetenzverbunds. Darin stellen Expert:innen der Fachdidaktik und Bildungswissenschaft aus den 24 lernen:digital Projektverbünden ihre Ergebnisse vor – länderübergreifend, virtuell, niedrigschwellig. Das Format befinde sich „an einer entscheidenden Schnittstelle zwischen den verschiedenen Systemen“, sagt Fabian Rösch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam und für die Umsetzung des Formats verantwortlich. Dabei folgt auf eine kurze Präsentation von rund 20 bis maximal 30 Minuten eine gemeinsame Diskussion des Konzepts mit den Teilnehmenden.

Die Rückmeldungen aus der Praxis würden im besten Fall ermöglichen, aus gewohnten Denkmustern und Routinen herauszutreten, so Rösch. „Das beste Beispiel dafür ist die Frage einer Teilnehmerin aus Bremen, die nach einer Präsentation wissen wollte, ob die vorgestellte Fortbildung auch mit dem Praxisteil statt der Theorie starten könnte. An diese Option hatten die beiden verantwortlichen Wissenschaftlerinnen bis dahin nicht gedacht.“ Diese gelebte Ko-Konstruktivität sei genau eines der Ziele, die der Kompetenzverbund verfolge, auch langfristig.

Gelingensbedingungen einer langfristigen Zusammenarbeit

Der Wunsch nach Nachhaltigkeit beschäftigt auch Hanna Dumont und ihr Forschungsteam: Wie kann der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis dauerhaft gelingen? In Einzelvorhaben ermitteln sie daher unter anderem förderliche und hinderliche Bedingungen. „Die Frage, wie Transfer gelingt, können wir zwar noch nicht vollständig beantworten, aber wir haben ein paar Grundherangehensweisen“, so Dumont. Zentral sei, dass die Vertreter:innen von Wissenschaft und Praxis auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, sich dabei auf Augenhöhe begegnen, die jeweilige Expertise als gleichwertig anerkennen, kontinuierlich im Dialog stehen, transparent kommunizieren und an bereits bestehende Strukturen anknüpfen. Alles Bedingungen, die sich auch in den aktuellen Transferformaten wiederfinden und deren Bedeutung die jeweils Verantwortlichen ebenfalls betonen. Michaela Weiß fasst die Voraussetzungen prägnant zusammen: „Damit die Zusammenarbeit gelingt, braucht es einen andauernden Prozess und ein offenes Mindset, dass wir jeweils voneinander lernen können. Ganz nach dem Motto: Kooperation statt Konkurrenz.“

Weiterführende Informationen

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Über 150 Symposien, Workshops und Vorträge an zwei Tagen plus einem Vernetzungstag für Mitglieder des Kompetenzverbunds: Das Organisationsteam der lernen:digital Transferstelle hatte sich viel vorgenommen, um einen Rahmen für den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu schaffen und drängende Probleme rund um die digitale Transformation von Schule und Lehrkräftebildung zu diskutieren.

Ein grundlegendes Problem – das wurde auf der dreitägigen Tagung auf dem Campus Griebnitzsee der Universität Potsdam deutlich – sind ungenutzte Potenziale in der Lehrkräfteaus- und -fortbildung. Und dafür sind nicht nur knappe zeitliche und personelle Ressourcen verantwortlich. In Deutschland fehlt es schlicht an einem institutionalisierten Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis – und zwar in beide Richtungen.  

Dabei wird gerade auf dem Gebiet der digitalen Bildung viel geforscht. Allein dem Kompetenzverbund lernen:digital sind rund 200 länderübergreifende Forschungs- und Entwicklungsprojekte angeschlossen. Auf der Praxisseite wiederum gibt es in den Schulen, Landesinstituten und Qualitätseinrichtungen der Bundesländer recht genaue Vorstellungen davon, welche Kompetenzen benötigt werden, um Schüler:innen für die Zukunft fit zu machen.

Schulen erkennen das Potenzial digitaler Entwicklungen

Das Interesse an Digitalthemen sei bei Lehrkräften und Schulleitungen vorhanden. Das machte Dr. Birgit Pikowsky, Leiterin des Pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz und Mitglied des Begleitgremiums des Kompetenzverbunds, in einer Podiumsdiskussion zum Auftakt des zweiten Veranstaltungstages deutlich: Zuletzt seien bei einer Bedarfserhebung in Rheinland-Pfalz Fortbildungen zum Umgang mit Konflikten und schulischen Krisen sowie Sprachförderung sehr gefragt gewesen. Unwahrscheinlich gewachsen sei aber auch der Bedarf bei den Themen KI sowie datengestützte Schulentwicklung und diagnosegeleitete Förderung. Hier gehe es den Lehrkräften darum, passgenaue Förderangebote für ihre zunehmend heterogene Schüler:innenschaft machen zu können – und zwar sowohl im Bereich der Basiskompetenzen als auch der Zukunftskompetenzen, betonte Pikowsky.

Gerade den Landesinstituten kommt als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis eine wichtige Rolle zu: Sie verfügen einerseits über die Strukturen, um Bedarfe aus der Praxis zu erfassen und könnten auf der anderen Seite maßgeschneiderte Angebote aus der Wissenschaft wie Fortbildungen, Anwendungen für den Unterricht oder Schulentwicklungskonzepte breitflächig in die Schulen transportieren.  

Die Realität sieht allerdings noch anders aus, denn eine Tradition der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Lehrkräftebildung gibt es in Deutschland nicht. Forschungserkenntnisse kommen daher meist nicht schnell genug in den Schulen an. Das bestätigte Podiumsgast Markus Wehmeyer, Abteilungsleiter IT-Infrastruktur und Lehrer für IT-Systeme an der Beruflichen Schule ITECH Elbinsel in Hamburg. Selbstorganisiertes Lernen mit digitalen Tools steht dort im Mittelpunkt. Für ihr innovatives Lehr-/Lernkonzept wurde die Schule 2023 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.

Lehrkräfte wünschen sich für ihre Bedarfe passende Fortbildungen

Wehmeyer schilderte eindrücklich, welchen Herausforderungen Schulen angesichts der rasanten technologischen Entwicklung gegenüberstehen: Gerade im IT-Bereich müssten sich Lehrkräfte alle drei Jahre auf eine Systemerneuerung einstellen. Passende Fortbildungen fehlten jedoch. Die Kolleg:innen würden sich hier oft autodidaktisch in Heimarbeit, zum Beispiel über Lernvideos, weiterbilden. Auch technologische Entwicklungen wie Virtual Reality (VR) seien Bestandteil der Ausbildung an der Beruflichen Schule. Allerdings sei gerade hier die Fortbildung so kostenintensiv, dass sich die Schule dies gar nicht leisten könne. Da müsse man andere Wege gehen, erklärte der Lehrer. 

„Selbst eine VR zu programmieren neben dem Unterricht, sich in das Thema KI einzuarbeiten und das dann noch als Multiplikator:in durch die gesamte Schule zu tragen … Man weiß gar nicht, wo man da anfangen soll. Wir können das gar nicht leisten“, sagte Wehmeyer. Einfach einmal neue Impulse und fertiges Material für die Arbeit zu bekommen, das sei eine Wunschvorstellung der Kollege:innen. Jahrelanges Erproben neuer Fortbildungen, die dann den Weg über die Landesinstitute in die Schulen finden, sei jedenfalls keine Lösung: „Bis dann eine Fortbildung in den Schulen ankommt, ist sie nicht mehr aktuell und für die Schüler kalter Kaffee,“ so Wehmeyer weiter. Genau diese Problematik möchte der Kompetenzverbund lernen:digital lösen. Der Zusammenschluss aus vier Förderlinien des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie die dazugehörige koordinierende Transferstelle ist seit Anfang 2023 im Einsatz. Die länderübergreifenden Projektverbünde sind in vier Kompetenzzentren in den Bereichen MINT, Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft sowie Musik/Kunst/Sport und Schulentwicklung organisiert. Hier entstehen evidenzbasierte Fort- und Weiterbildungen, Materialien sowie Konzepte für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. Die Transferstelle soll die Projektverbünde vernetzen und den Austausch mit den Landesinstituten und der Bildungspolitik herstellen, um so dafür zu sorgen, dass die Arbeitsergebnisse aus der Wissenschaft bundesweit von Schulleitungen und Lehrkräften genutzt werden können.

„Die Besonderheit des Kompetenzverbund lernen:digital ist, dass hier systematisch Expertise aus der Wissenschaft für die Institute aufbereitet wird. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie auch in der Zukunft Lehrkräftefortbildung noch stärker an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen teilhaben kann“, erklärt Dirk Richter, Professor für Erziehungswissenschaftliche Bildungsforschung an der Universität Potsdam und wissenschaftliche Leitung der Transferstelle.

Die von der Transferstelle ausgerichtete Tagung war nun ein Schritt, um die verschiedenen Akteur:innen in den Dialog zu bringen.

Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis

Weshalb eine gute Zusammenarbeit bislang schwierig war, erläutert Katharina Scheiter, die als Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam ebenfalls die Arbeit der Transferstelle leitet: „Zunächst einmal sind Wissenschaft und Bildungspraxis zwei unterschiedliche Systeme mit ganz unterschiedlichen Funktionsweisen. In Wissenschaft geht es unter anderem um das Generieren von wissenschaftlicher Erkenntnis auf einem teilweise sehr feinen Auflösungsniveau. Die Themen, die bearbeitet werden, sind durchaus auch an Fragen der Praxis orientiert, werden aber oftmals aus einer Forschungslogik heraus entwickelt. Und da kneift es dann meistens schon“, so Scheiter. „Das heißt, die Praxis hat häufig andere Fragen, die sie beschäftigt und braucht auch meistens schnellere Lösungen als das, was Wissenschaft typischerweise beiträgt. Ein erstes Ziel dieser Tagung ist daher tatsächlich zu versuchen, so weit wie möglich gemeinsam Fragen zu entwickeln und uns darauf zu verständigen, wie eine Lösung aussehen könnte. Was braucht beispielsweise eine Lehrkraft, die im Mathematikunterricht guten Unterricht mit digitalen Medien machen möchte? Wie muss da eine Fortbildung aussehen? Was können wir leisten, um sie zu unterstützen? Damit hoffen wir, die zwei Systeme besser in Einklang zu bringen.“

Das Angebot, das aus der Arbeit der Kompetenzzentren entsteht, umfasst bereits jetzt eine Vielzahl konkreter Anwendungen, Materialien und Konzepte, die in der Praxis bereits getestet wurden. Vom Konzept für die IT-Bildung von Lehrkräften, über Projekte für den MINT-Unterricht mit Zukunftstechnologien bis hin zu digitaler Bildung im Kontext von Inklusion, Bildung für nachhaltige Entwicklung oder Demokratiebildung und schließlich Projekten für die datengestützte Zusammenarbeit in der Schulverwaltung: Die Produkte für den Wissenstransfer sind vielfältig und decken alle Fachbereiche ab. Immer wieder Forschungsgegenstand: Das Lehren und Lernen mit digitalen Tools wie beispielsweise Lernmanagementsystemen oder Lernvideos sowie der Umgang mit KI und immersiven Technologien wie Virtual Reality. Der dritte Tagungstag war speziell dafür vorgesehen, die Landesinstitute mit den Forschenden zusammenzubringen, damit diese die Angebote kennenlernen, um sie gegebenenfalls für ihr Land zu adaptieren und sie dort zu verstetigen – eine gemeinsame Ausrichtung, die es bislang in dieser Form nicht gibt.

Die digitale Transformation zielt auf die gesamte Schule

Gerade an den Lösungen für die Schulentwicklung habe die Tagung gut gezeigt, dass es bei der digitalen Transformation um mehr geht als die Qualifizierung einzelner Personen, sagt Katharina Scheiter: „Wir müssen das gesamte System Schule in Angriff nehmen und auf so eine digitale Transformation vorbereiten. Das ist ein Umdenken, das jetzt gerade wichtig wird.“ 

Dass dieses Umdenken stark vom Willen bildungspolitischer Entscheider:innen zur systemischen Veränderung abhängt, machte die Frage zum Ende des zweiten Veranstaltungstages deutlich, die Keynote-Speaker Stuart Kime halb scherzhaft dem Publikum im vollen Hörsaal stellte: Ob das deutsche Bildungssystem schon bereit sei für eine bundesweite Online-Plattform zur evidenzbasierten Lehrkräftebildung und Verbesserung von Unterrichtsqualität wie das sogenannte Great Teaching Toolkit in England? Der derzeitige Gastprofessor der Universität Tübingen und Berater im International Board der lernen:digital Transferstelle hatte das von der englischen Regierung geförderte und landesweit eingesetzte Tool vorgestellt.

In Deutschland gelte es zunächst einmal, so lautete der Tenor in zahlreichen Gesprächen am Campus Griebnitzsee, die digitale Transformation handhabbar zu machen – durch Reduzierung von Komplexität und der Schaffung von Netzwerken und gemeinsamen Strukturen von Wissenschaft, Praxis, Politik und Verwaltung.

Die Tagung sei ein erfolgreicher Schritt in diese Richtung gewesen, zieht Dr. Julia Jennek, Leitung des Broker:innen-Teams für das Kompetenzzentrum Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft, Bilanz. Sie hatte die Tagung gemeinsam mit ihrem Team organisiert. Rund 700 Teilnehmende, davon knapp 100 aus den Kultusministerien und den Landesinstituten aus 15 Bundesländern sowie Vertreter:innen aus dem Bundesbildungsministerium seien der Einladung nach Potsdam gefolgt. „So viele Teilnehmende sind bei einer neuen, noch unbekannten Tagung sehr ungewöhnlich. Wir scheinen hier einen Nerv getroffen zu haben“, zeigt sich Julia Jennek hochzufrieden. „Die Tagung sollte Impulse setzen und Diskussionen Raum geben und das hat sie tatsächlich geschafft. Alle hatten Lust miteinander zu reden – und zwar über Grenzen wie Fachrichtung und Schulform hinweg. Wir freuen uns besonders darüber, dass die Vertreter:innen aus 15 Landesministerien hier teilgenommen haben. Sie werden großen Einfluss darauf haben, ob uns der Transfer in die Schulen gelingt und qualitativ hochwertige Fortbildungen dort ankommen, wo sie benötigt werden.“

Text: Sonja Mankowsky

Fotos: Phil Dera und Nadine Zilliges

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„Wissenschaft und Praxis im Dialog” – der Leitsatz des Kompetenzverbund lernen:digital war auch zentral für den Kongress „Digitales und digital gestütztes Unterricht” des Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH). Auf Einladung des schleswig-holsteinischen Landesinstituts kamen am 12. Juli 2024 Lehrkräfte und Schulleitungen aus Schleswig-Holstein sowie einzelne Vertreter:innen der lernen:digital Projektverbünde im RBZ Technik, einem regionalen Berufsbildungszentrum, in Kiel zusammen. Ziel der Veranstaltung des IQSH war es, den anwesenden Lehrkräften und Schulleitungen die Arbeit und Ziele des Kompetenzverbund lernen:digital vorzustellen und gemeinsam mit den Teilnehmenden in den Dialog zu treten, um praktische Anknüpfungs- und Adaptionsmöglichkeiten für die schulische Arbeit zu identifizieren. 

Zum Auftakt der Veranstaltung begrüßten Dr. Gesa Ramm, Direktorin des IQSH und Prof. Dr. Olaf Köller, Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik und Mitglied des lernen:digital Projektverbunds KISS-Pro, die Teilnehmenden. Gesa Ramm gab einen Einblick in das seit 2021 laufende schleswig-holsteinische Landesprogramm „Zukunft Schule im digitalen Zeitalter“, welches in fünf Themenclustern die Kompetenzentwicklung von Schüler:innen und Lehrkräften in einer zunehmend digitalisierten Lebens- und Arbeitswelt zum Ziel hat. Dabei betonte sie den Wunsch, sowohl mit Schulpraxis als auch mit Wissenschaft eng zusammenarbeiten zu wollen und eine Verbindung zum bundesweiten Programm lernen:digital herzustellen. Auch Olaf Köller betonte die Notwendigkeit eines „Schulterschlusses mit der Praxis” und von Dialogräumen, um die digitale Transformation der Schule gemeinsam gestalten zu können.

Katharina Scheiter: Reine Digitalisierung bestehender Unterrichtsprozesse bietet keinen Mehrwert für das Lernen und Lehren

Nach der offiziellen Eröffnung gab Prof. Dr. Katharina Scheiter, wissenschaftliche Leitung der lernen:digital Transferstelle, den knapp 60 Teilnehmenden einen Einblick in wissenschaftliche Erkenntnisse zum Mehrwert von digitalen Medien für Lernen und Lehren und stellte die Ziele, Struktur und Angebote des Kompetenzverbund lernen:digital vor. Katharina Scheiter betonte, dass die reine Digitalisierung bestehender Unterrichtsprozesse keinen Mehrwert für das Lernen und Lehren biete. Es sei vielmehr entscheidend, digitale Medien gezielt zur Unterstützung von Lernprozessen einzusetzen.

Um nicht beliebigen Medieneinsatz, sondern guten Medieneinsatz für die Verbesserung von Lernprozessen zu fördern, betonte die Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam in ihrem Input die Notwendigkeit von Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte für digital gestützten Unterricht. Fragestellungen nicht nur in Bezug auf das Lernen mit digitalen Medien, sondern auch auf das Lehren mit digitalen Medien, sollten laut Katharina Scheiter viel stärker in den Vordergrund gerückt werden. Wie sieht Unterricht mit digitalen Medien aus? Wie müssen digitale Medien in den Unterricht eingebettet werden? Diese Fragen seien zentral für die im Kompetenzverbund lernen:digital entstehenden Fort- und Weiterbildungen, Materialien sowie fachdidaktischen Konzepte. Ziel sei es, durch die sinnvolle Integration digitaler Medien in gesamtdidaktische Konzepte, die Wirksamkeit der Effekte digitaler Medien zu verbessern. 

Vorstellung der lernen:digital Projektverbünde aus Schleswig-Holstein

Um die konkreten didaktischen Konzepte ging es auch in der anschließenden Vorstellung der lernen:digital Projektverbünde, die in Schleswig-Holstein vertreten sind. Vertreter:innen von DigiProMIN aus dem Kompetenzzentrum MINT, DigiProSMK aus dem Kompetenzzentrum Musik/Kunst/Sport und KISS-Pro aus dem Kompetenzzentrum Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft präsentierten den Teilnehmenden die Ziele und entstehenden Angebote der Verbünde. Prof. Dr. Knut Neumann stellte vor, wie im Projektverbund DigiProMIN Virtual Reality-Technologien genutzt werden, um im Chemieunterricht gefährliche Szenarien darzustellen. Prof. Dr. Britta Fischer aus DigiProSMK gab einen Einblick in die Entwicklung einer virtuellen Sporthalle zur Stärkung der professionellen Unterrichtswahrnehmung von Lehrkräften und Dr. Torben Jansen aus KISS-Pro stellte anhand eines Aufgabenbeispiels Möglichkeiten zur Implementation von KI-Unterstützung im Sprachenunterricht vor. 

Im Anschluss an die Vorstellung konnten die Kongress-Teilnehmer:innen in einer zweistündigen Workshopphase die Angebote der Projektverbünde in den jeweiligen Fachkontexten näher kennenlernen. Für die Vertreter:innen der Projektverbünde bot die Workshopphase zudem die Möglichkeit, mit den anwesenden Lehrkräften und Schulleitungen in den Dialog zu treten und Bedarfe aus der Schulpraxis einzusammeln, um darauf aufbauend die Fortbildungsformate nachhaltig gestalten zu können. 

Gesa Ramm und Olaf Köller betonten zum Abschluss des Kongresses nochmals die Notwendigkeit des Dialogs zwischen Wissenschaft und Praxis, um die digitale Transformation erfolgreich zu gestalten. Der Kompetenzverbund lernen:digital spiele dabei eine wichtige Rolle, indem wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis transferiert und umgekehrt praxisrelevante Fragestellungen aufgegriffen werden.

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Unter dem Motto „Bildung verstehen, Partizipation erreichen, Transfer gestalten” kamen vom 18. und 20. März 2024 Teilnehmende aus der Wissenschaft und aus Kultusministerien, Landesinstituten, Bildungsverwaltung sowie der Zivilgesellschaft an der Universität Potsdam zur 11. Tagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) zusammen. Im Rahmen eines offenen Beitragsformates war auch ein Team der Transferstelle des Kompetenzverbund lernen:digital vertreten.

Zu Beginn des Workshops stand eine kurze Vorstellung des Kompetenzverbund lernen:digital im Fokus, dabei wurde insbesondere die Rolle der lernen:digital Broker:innen sowie allgemein der Brokerage-Ansatz als Transferansatz zwischen Wissenschaft und Schulpraxis thematisiert. Darüber hinaus erhielten die knapp 60 Teilnehmenden des Workshops Einblicke in eine Stakeholderanalyse der digitalisierungsbezogenen Lehrkräftebildung und Schulentwicklung sowie zu Transferprozessen im Mehrebenensystem des Bildungswesens in Deutschland.

„Ach, das bist du!“ – Thinking-Hats-Methode zur Perspektivübernahme

Im Anschluss an die Vorstellung sowie Identifizierung relevanter Akteur:innen im Kontext der digitalen Transformation von Schule und Lehrkräftebildung, folgte eine Arbeitsphase mit dem Ziel der Perspektivübernahme der identifizierten Akteur:innen in Transferprozessen („Ach, das bist du!“). Ziel der Arbeitsphase war ein verbessertes Verständnis sowie die gemeinsame Definition verschiedener Rollen und Bereiche, die für eine digitale Transformation wichtig sind.

Dafür wurden die Teilnehmenden in Anlehnung an die Thinking-Hats-Methode dazu angeleitet, sich die „Hüte“ verschiedener Akteur:innen aufzusetzen und sich damit in die Perspektiven der ausgewählten Stakeholder (z. B. Schulleitungen, Lehrkräfte oder Landesinstitute) hineinzuversetzen. Ausgehend von diesen Perspektiven wurden Leitfragen rund um Transferprozesse diskutiert. 

Innerhalb aktiver und spannender Diskussionen wurden in diesem Rahmen gemeinsame Erkenntnisse und Anregungen zu Gelingensbedingungen für den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis entwickelt. Dazu gehörten unter anderem die Formulierung gemeinsamer Ziele, ein geteiltes Prozessverständnis sowie ein klares Verständnis der Kompetenzen der beteiligten Akteur:innen. Weitere wichtige Aspekte waren Transparenz sowie nachhaltige Netzwerke und Ressourcen.

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Dass etwas schiefläuft in der Art und Weise, wie Lehrkräfte aktuell auf die Herausforderungen ihres Berufs vorbereitet werden, merkt Micha Pallesche immer dann, wenn er mit jungen Kolleg:innen spricht. Pallesche ist Schulleiter der Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe, die schon seit vielen Jahren als leuchtendes Beispiel für zukunftsorientierten Unterricht gilt. Schulentwicklung findet in einem ko-kreativen Prozess unter Beteiligung der Schüler:innen und Eltern statt, digitale Medien werden dort inzwischen so selbstverständlich eingesetzt, dass man sich selbst bereits in einer post-digitalen Phase angekommen sieht. Leider scheint eine solch zukunftsoffene Perspektive in der Lehrkräfteausbildung im Augenblick noch nicht angekommen zu sein. „Junge Lehrer:innen sind oft diejenigen, die am traditionellsten unterrichten.“

Genau dies zu ändern, ist eines der Hauptziele des 2023 gegründeten Kompetenzverbund lernen:digital. Zur Auftaktveranstaltung am 22. und 23. November im Cafe Moskau in Berlin kamen rund 450 Vertreter:innen aus Wissenschaft und Bildungspraxis zu einem ersten großen Netzwerktreffen zusammen. Micha Pallesche war virtuell zugeschaltet, um gemeinsam mit Katharina Günther-Wünsch, amtierende KMK-Präsidentin und Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Prof. Dr. Katharina Scheiter, gemeinsam mit Prof. Dr. Dirk Richter Wissenschaftliche Leitung der lernen:digital Transferstelle, und Dr. Johanna Börsch-Supan, Abteilungsleiterin für allgemeine und berufliche Bildung im Bundesministerium für Bildung und Forschung über die Erfolg versprechenden Strategien zur Stärkung von Lehrkräften zu sprechen. Und zwar in der Breite, wie Günther-Wünsch noch einmal bekräftigte: „Ein kleines Grüppchen reicht nicht, um Standards zu setzen.“

Foto: Phil Dera

Herausfordernder Transfer

Nun gehört die Fortbildung der rund 800.000 Lehrkräfte in Deutschland zum Aufgabenbereich der 22 Landesinstitute und Qualitätsagenturen, die beim Treffen auch zahlreich vertreten waren. Deren Vertreter:innen wiesen im Rahmen der vielfältigen Vernetzungs- und Dialogformate der Kick-off-Veranstaltung auch immer wieder auf die eigene Expertise hin und wie wichtig es sei, bestehende Strukturen zu nutzen, statt neue aufzubauen. Genau das wiederum, betonte Katharina Scheiter mehrfach, sei dezidiertes Ziel des Kompetenzverbunds, der sich als breiter Zusammenschluss wissenschaftlicher Teilprojekte versteht: „Es ist nicht die Aufgabe von Universitäten, Lehrkräfte fortzubilden.“ Vielmehr wolle man gemeinsam mit den Landesinstituten daran arbeiten, evidenzbasierte Erkenntnisse aus der Wissenschaft besser als bisher in die Breite der Bildungspraxis zu tragen. „Die Landesinstitute sind diejenigen, die mit ihren Multiplikator:innen in die Praxis hineinwirken“, so Dirk Richter. „Hier ist eben das Besondere des Verbundes zu sehen: dass Wissenschaft, vertreten durch die Kompetenzzentren, mit den Landesinstituten zusammenarbeitet und neue Projekte und Konzepte in die Schulpraxis bringt.“ 

Zur Wahrheit gehöre nämlich auch: Der Transfer in die Praxis ist herausfordernd, nicht jedem Landesinstitut gelinge dies gleich gut, nicht jede:r Fortbildner:in vermag es, wissenschaftliche Erkenntnis so in Schulpraxis zu transferieren, wie es wünschenswert wäre. Eigentlich wolle man in den Fachdidaktiken, in der Schulpädagogik ja Personen mit Praxiserfahrung haben, so Scheiter. „Es gibt hier unheimlich wenig systematisch zusammengetragene Erkenntnisse. Wie qualifiziert sind diese Fortbildner:innen überhaupt in der Breite? Handelt es sich um Menschen mit einer Zusatzqualifikation in der Erwachsenenbildung? Oder habe man es mit Lehrkräften zu tun, die ihre pädagogischen Kompetenzen aus dem Schulunterricht beziehen und sich ein wenig Erwachsenenbildung angelesen haben?“ 

Graphic Recording: Nadine Roßa

Enge Zusammenarbeit mit den Landesinstituten

An diesem Punkt soll der Kompetenzverbund lernen:digital ins Spiel kommen. Mithilfe eines beeindruckenden Netzwerks von über 200 Forschungs- und Entwicklungsprojekten aus ganz Deutschland, gebündelt in 24 Projektverbünden, die sich zu vier thematisch unterschiedlich ausgerichteten Kompetenzzentren zusammengeschlossen haben, und koordiniert von einer Transferstelle, will man optimale Bedingungen dafür schaffen, dass der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis tatsächlich gelingt. Dass hier noch Verbesserungspotenzial besteht, betonte Katharina Scheiter in ihrer Keynote zur Veranstaltung: „Wir haben einen großen Klärungsbedarf in und zwischen Wissenschaft und Bildungspraxis. Und zwar zum einen bezüglich der Frage, was zeichnet eigentlich wirklich guten Unterricht mit und über digitale Medien aus? Aber auch, wie wirksame Fortbildungs- und aber auch Schulentwicklungskonzepte beschaffen sind, die ihrerseits auch die Potenziale von Digitalisierung nutzen.“

Bei der Transferstelle wiederum handelt es sich ebenfalls um einen Verbund, bestehend aus insgesamt zwölf Institutionen. Neben der Universität Potsdam, der Koordinierungsstelle des Projekts, sind noch sechs weitere Universitäten beteiligt, sowie vier Leibniz-Institute und, als Vertreter der Zivilgesellschaft, das Forum Bildung Digitalisierung. Dessen Vorstand Ralph Müller-Eiselt sieht den Verbund vor allem als Chance, das Thema digitale Bildungsteilhabe weiter voranzubringen. „Wenn man sich anschaut, was die Hürden für Bildungsteilhabe sind, dann geht es um Infrastruktur, um die Verfügbarkeit von Lehrmaterialien, aber auch um die Kompetenzen, die alle Beteiligten im System haben. Und die beiden letzten Punkte sind Kern von lernen:digital.“ 

Ihre Aufgabe sieht die Transferstelle zum einen in einer Vernetzung der Teilprojekte. Jedem der vier Kompetenzzentren ist ein Team aus sogenannten Broker:innen zugeordnet, die zwischen den Interessen der Projektverbünde, der Transferstelle und der Praxis vermitteln. Außerdem geht es darum, die Landesinstitute dabei zu unterstützen, Gelingensbedingungen und Hemmnisse des Wissenstransfers zu identifizieren und die Sichtbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen. Ein eigenes Team für das Handlungsfeld Wissenschaftskommunikation hat das Ziel, Informationen aufzubereiten und Impulse zu geben, um den systemischen Transfer mit niedrigschwelligen Angeboten zu unterstützen. Darüber hinaus betreibt die Transferstelle auch eigene Forschung. „Diese verstehen wir als nutzeninspiriert. Das heißt, sie ist einerseits von einem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse getrieben, andererseits aber auch darauf ausgerichtet, einen Beitrag zur Gestaltung der Bildungspraxis zu leisten“, so Katharina Scheiter.

Foto: Phil Dera

Bund und Länder als Teamplayer

Soweit die Idee des Kompetenzverbunds, die insgesamt auch sehr wohlwollend von den versammelten Akteur:innen aufgenommen wurde. Natürlich gab es dennoch die ein oder andere Detailfrage an die Projektverantwortlichen. Der Fokus lag dabei auf den Handlungsfeldern Transfer und Wissenschaftskommunikation und der im Rahmen zukunftsorientierter Bildungsinitiativen immer wieder formulierten Herausforderung, einzelne Ergebnisse aus einem kleinen Kreis von Vorreitern in die Breite eines föderal verästelten Bildungssystems zu bringen. Die Ausbildung von Multiplikator:innen und die Etablierung von Standards seien Maßnahmen, welche die Landesinstitute bereits seit Jahren anwenden, so eine Vertreterin des Landesinstituts Niedersachsen in einer Fragerunde mit Katharina Scheiter und Michaela Weiß vom Forum Bildung Digitalisierung. Sie könne nur dringend raten, diese Expertise auch zu nutzen. 

Eine weitere Herausforderung: die mit insgesamt drei Jahren recht knapp bemessene Projektlaufzeit von lernen:digital. Dass dies für den Aufbau effektiver Strukturen, den Abbau föderaler Bildungssilos und den Einstieg in ko-kreative Arbeitsprozesse viel zu kurz sei, darüber waren sich viele der anwesenden Bildungsexpert:innen einig. Allerdings, so kommentierten sowohl Katharina Scheiter als auch BMBF-Abteilungsleiterin Johanna Börsch-Supan den Einwand, sei es auch gar nicht der Anspruch des Projekts, in solch kurzer Zeit systemische Veränderungen realisieren zu können. Vielmehr verstehe man das Projekt als Impulsgeber (Scheiter), als Katalysator (Börsch-Supan), der längst überfällige Veränderungen anstößt und im Rahmen einer Anschlussförderung (hoffentlich) weiter verstetigt. Die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger lobte den Verbund in einem Videogrußwort zur Veranstaltung als wegweisende Kooperation zwischen Bund und Ländern. „Die Wissenschaft zusammen mit der Praxis. Gemeinsam bringen wir die digitale Bildung voran. Als echtes Team.“

Foto: Phil Dera

Wandel der Forschungspraxis

Wenn es also das zentrale Ziel des Kompetenzverbunds ist, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis zu verbessern, dann bot die Veranstaltung viele spannende Gelegenheiten, Beispiele aus der Praxis zu sammeln und tiefer in die Gelingensbedingungen eines wirksamen Transfers einzusteigen. Die erste Frage wäre nämlich: Was verstehen wir eigentlich unter Transfer, wie sie ein Workshop zu diesem Thema stellte. Eine Nachwuchswissenschaftlerin berichtete, wie in ihrem Studium die Auseinandersetzung mit der Praxis eher vermieden als gefördert werde. Alle waren sich einig: Transfer werde im derzeitigen Wissenschaftssystem nicht gefördert, eine Veränderung der Forschungspraxis sei dringend notwendig. „Dabei könnte man beide Aspekte miteinander verbinden. Es wäre durchaus möglich, Lehramtsstudierende parallel zum Referendariat promovieren zu lassen. Solche Pilotprojekte hat es ja in einzelnen Bundesländern bereits gegeben“, so Katharina Scheiter in einer Fragerunde mit den teilnehmenden Expert:innen.

Susanne Prediger, Mathematikdidaktikerin und Expertin in der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission, welche die Kultusministerkonferenz berät, zeichnete ein differenzierteres Bild. Nach ihrer Einschätzung können Wissenschaft und Praxis problemlos kooperieren. „Einzelne Wissenschaftler:innen entwickeln mit einzelnen Lehrer:innen innovative Unterrichtskonzepte, einzelne Fortbildungsdesigner:innen erarbeiten mit einzelnen Fortbildner:innen spannende Fortbildungskonzepte. Diese beiden Ebenen der Ko-Konstruktion sind bereits gut etabliert.“ Die Herausforderung liege in der Schwierigkeit, diese Ergebnisse dann in die Breite zu tragen. „Wir brauchen dann auch Konzepte für die weitere Aneignung.“ Hier könne und müsse die Wissenschaft helfen, so Prediger.

Positive Fehlerkultur

In der Schlussrunde wurde dann noch einmal sehr deutlich, vor welchen Herausforderungen reine Praktiker:innen gerade stehen, wenn die Rede davon ist, wissenschaftliche Erkenntnisse gingen oft an der Unterrichtspraxis vorbei. Johannes Terwitte, Mitbegründer der kleinen Dorfschule in Lassaner Winkel, sieht sich konfrontiert mit einer Masse an Bildungsangeboten, die ihn fast täglich erreichen, ohne dass er die Zeit hätte, deren Tauglichkeit für den eigenen Unterricht beurteilen zu können. „Hier wünsche ich mir Unterstützung von der Bildungswissenschaft im Sinne einer Evaluation und Sammlung erprobter Module, möglichst bündig zusammengestellt an einem Ort.“ Und dabei möglichst länderübergreifend anwendbar und dann wiederum anpassbar an lokale Bedürfnisse.

Bliebe eines der Grundprobleme von Fortbildungskonzepten, so sinnvoll und passend sie auch sein mögen, das Björn Nölte, Referent in der Schulaufsicht der Evangelischen Schulstiftung für Berlin und Brandenburg, am Ende ansprach. „Die Reaktion der meisten Schulleitungen ist dann: Das kann ich meinem Kollegium nicht auch noch zumuten.“ Eine mögliche Lösung lieferte Nölte gleich mit: „Es gibt einen Hebel, der relativ einfach zu bedienen ist, und das sind die Studientage, die jeder Schule zustehen: Wenn es gelänge, die Themen bei lernen:digital so aufzubereiten, dass sie in diesem Kontext interessant sind, dann könnte man damit viele Schulen auf einmal erreichen.“

Ob und wie gut das alles im Rahmen des Kompetenzverbunds gelingen kann, wird sich zeigen. Die Zeit ist knapp, die Herausforderung groß. Aber eines ist klar: Der Wille zur Veränderung ist da. Und die digitale Transformation ist ein Prozess, dem man am besten mit Offenheit begegnet. „Noch wichtiger als das Anhäufen von Wissen ist mir eine positive Fehlerkultur. Ich wünsche mir für uns alle, dass wir das Gefühl wertschätzen: Ich weiß noch nicht genau, wohin die Reise geht, aber ich will dabei sein“, gab Katharina Scheiter den Teilnehmenden mit auf den Weg.

Text: Klaus Lüber

Foto: Phil Dera

Mehr zum lernen:digital Kick-off

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Am 31. August 2023 fand an der Universität Duisburg-Essen das diesjährige EdTech Research Forum mit dem Schwerpunkt „Gestaltende Bildungsforschung“ statt. Im Rahmen eines Workshops wurde auch die Arbeit des Kompetenzverbund lernen:digital vorgestellt und der Austausch mit den Teilnehmenden aus Wissenschaft, Bildungspraxis und Bildungsverwaltung gesucht.

Neben der Vorstellung des Kompetenzverbunds und seiner Strukturen, wurde in kleinen Diskussionsrunden die Frage diskutiert, unter welchen Bedingungen Transfer aus der jeweiligen Perspektive gelingt, um mögliche Synergien zu finden. Die interaktive Session förderte gemeinschaftliche wahrgenommene Herausforderungen zutage und bietet damit spannende Anknüpfungspunkte für die weitere Arbeit der lernen:digital Transferstelle.

Laut den Teilnehmenden brauche es neben Offenheit und Bereitschaft zur Gestaltung und Umsetzung von Transfer auch entsprechende institutionalisierte Anreizsysteme, Strukturen und Rahmenbedingungen, um Räume für die Gestaltung von Transfer zu schaffen. 

Im Hinblick auf eine erfolgreiche Kommunikation wurde die Relevanz einer gemeinsamen Sprache sowie eines gemeinsamen Transferverständnisses aller beteiligten Akteur:innen hervorgehoben. Für die erfolgreiche Gestaltung von Transfer benötige es einen Prozess auf Augenhöhe aller Beteiligten und die Einbeziehung der Praxis in den gesamten Forschungsprozess. Auf diese Weise ließe sich bestmöglich gewährleisten, dass Inhalte bedarfsgerecht erarbeitet und nicht an den Bedürfnissen des Schulalltags „vorbeientwickelt” werden. In der abschließenden gemeinsamen Diskussion wurden zudem auch problematische Rahmenbedingungen thematisiert, so etwa die ungleiche Verteilung von Ressourcen der beteiligten Akteur:innen.

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Unter dem Motto „Digital unterwegs im Ganztag” kamen am 25. und 26. Mai 2023 rund 120 Teilnehmende aus Wissenschaft, Kultusministerien, Landesinstituten, Bildungsverwaltung und Zivilgesellschaft im Amplifier in Berlin zur Fachtagung „Dimension Digitalisierung” zusammen, die gemeinsam vom Forum Bildung Digitalisierung mit der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie veranstaltet wurde. Im Rahmen eines Austausch- und Netzwerkformates war auch der Kompetenzverbund lernen:digital mit dabei.

Nach einer kurzen Vorstellung des Kompetenzverbunds durch Katharina Scheiter, Wissenschaftliche Leitung der lernen:digital Transferstelle, und einem Impuls von Anne Woltmann vom Forum Bildung Digitalisierung standen Austausch und Netzwerken in drei Austauschrunden im Vordergrund. Zentraler Fokus war dabei der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis und warum dieser eine Gelingensbedingung für die digitale Transformation von Schule und Lehrkräftebildung ist.

Foto: Florian Freund

Wie gelingt guter Transfer?

Das Interesse der Teilnehmenden am Kompetenzverbund war groß, was sich in einem angeregten und produktiven Dialog im Rahmen des Austauschformates widerspiegelte.

Als Gelingensbedingungen für guten Transfer wurden in diesem Zusammenhang zum Beispiel ein geteiltes Verständnis sowie gemeinsame Ziele und Haltungen der beteiligten Akteur:innen in Schule und Lehrkräftebildung genannt. Wichtig sei darüber hinaus eine Kommunikation auf Augenhöhe, die es allen Beteiligten ermöglicht, ihre Expertise einzubringen. 

In Bezug auf die Kommunikation wurde die Bedeutung einer gemeinsamen Sprache der Akteur:innen als wichtiger Faktor hervorgehoben. Sollte diese gemeinsame Sprache nicht gegeben sein, müssten Wege der Übersetzung im Transferprozess gefunden werden. Hinsichtlich der von lernen:digital erarbeiteten Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte sei es für gelungenen Transfer zudem entscheidend, die Ergebnisse zu bündeln und allgemein zugänglich zu machen. 

Der Austausch mit den verschiedenen Akteur:innen aus dem Bildungsbereich stellt nun einen wichtigen Anschlusspunkt für die Arbeit der lernen:digital Transferstelle dar. Die Teilnehmenden des Austauschformates waren sich einig darin, dass sie den gemeinsamen Dialog auch in Zukunft fortsetzen möchten. Eine Möglichkeit hierfür bietet die Kick-Off-Veranstaltung des Kompetenzverbund lernen:digital am 22. und 23. November 2023 in Berlin.

Foto: Florian Freund