
Der Kompetenzverbund lernen:digital gestaltet den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis für die digitale Transformation von Schule und Lehrkräftebildung.
Über den Kompetenzverbund
Vier Kompetenzzentren bündeln die Expertise aus rund 200 länderübergreifenden Forschungs- und Entwicklungsprojekten. In den Projekten entstehen evidenzbasierte Fort- und Weiterbildungen, Materialien sowie Konzepte für die Schul- und Unterrichtsentwicklung in einer Kultur der Digitalität.
Über die Kompetenzzentren
Eine Transferstelle macht die Ergebnisse für Lehrkräfte sichtbar, fördert die konstruktive Weiterentwicklung mit der Praxis und unterstützt den bundesweiten Transfer in die Lehrkräftebildung.
Über die Transferstelle
Redaktion: Anna Hückelheim, Agentur für Bildungsjournalismus
Über 200 Forschungs- und Entwicklungsprojekte umfasst der Kompetenzverbund lernen:digital. Organisiert in vier Kompetenzzentren – MINT, Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft sowie Musik/Kunst/Sport und Schulentwicklung – sind bundesweit verschiedene wissenschaftliche Institutionen beteiligt. Sie erarbeiten evidenzbasierte Fort- und Weiterbildungsangebote für digitalen und digital gestützten Unterricht, konkrete Materialien für diesen Einsatzbereich sowie Konzepte für die Unterrichts- und Schulentwicklung in der Kultur der Digitalität. Das Ziel: den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse rund um die Gestaltung digitaler Lehr-Lern-Prozesse und Schulentwicklung in die Praxis zu unterstützen und zu systematisieren – und somit eine echte Unterstützung für Lehrkräfte im Rahmen des digitalen Wandels zu schaffen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Frage, wie die wissenschaftlichen Projektergebnisse ihren Weg in die Schulen und Klassenzimmer finden, um dort wirksam werden zu können. Eine Antwort darauf sucht die Transferstelle des Kompetenzverbunds.
„Die Verzahnung mit der Praxis ist für den Transfer der Forschungsergebnisse unheimlich wichtig“, sagt Hanna Dumont, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Potsdam und eine der Bereichsleiterinnen im Handlungsfeld Transfer des Kompetenzverbunds. Eine Kooperation mit dem System der Lehrkräftebildung bietet verschiedene Vorteile. Sie ermöglicht sowohl die Fortbildungskonzepte mithilfe fachspezifischer Expertise an den Bedarfen der Lehrkräftebildung auszurichten als auch bei Übernahme die Lehrkräfte über die etablierten Fortbildungswege zu erreichen. Darüber hinaus kennen Akteur:innen in der Lehrkräftefort- und -weiterbildung die Bedarfe im jeweiligen Bundesland und wissen, welche Fragestellungen die Schulen und Lehrkräfte wirklich belasten.
Wissenschaft und Praxis zu verknüpfen, ist jedoch besonders im Bildungsbereich kein leichtes Unterfangen. „Transfer bedeutet immer, dass es ein Miteinander gibt“, erklärt Hanna Dumont. „Das setzt allerdings voraus, dass die Akteursgruppen, die involviert sein sollten, bekannt sind.“ Diese im föderalen Bildungssystem Deutschlands zu identifizieren, sei eine große Herausforderung gewesen. „Die zentralen Gruppen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland“, so Dumont. Neben den Landesinstituten für Lehrkräftebildung und Qualitätseinrichtungen der Bundesländer gehören teilweise kommunale Einrichtungen und Initiativen der Zivilgesellschaft dazu.
Strukturen verstehen, Vertrauen entwickeln
Um mit den unterschiedlichen Akteur:innen ins Gespräch zu kommen, setzt der Kompetenzverbund auf verschiedene Formate. Der persönliche Austausch steht beispielsweise im Mittelpunkt der sogenannten Roadshow. „Wir schaffen damit ein Angebot für die Landesinstitute, um in den Dialog mit der Wissenschaft zu kommen und sich direkt über die jeweiligen Erwartungen auszutauschen“, erläutert Michaela Weiß vom Forum Bildung Digitalisierung. Sie ist Bereichsleitung des Arbeitsbereichs „Gestaltung von Transfer“ im Kompetenzverbund und mitverantwortlich für Dialog- und Transferformate.
Das Besondere: Die Vertreter:innen der verschiedenen Bereiche der Transferstelle besuchen die Landesinstitute persönlich – und zwar in allen Bundesländern. Auf diese Weise soll das Format „einen vertrauensvollen Raum“ kreieren, „in dem wirklicher Austausch auf Augenhöhe stattfindet“. Nicht nur sollen die Beteiligten die jeweiligen Strukturen des anderen kennenlernen, sondern auch in den Dialog kommen. Den Kern der Roadshow bilden daher Thementische, an denen sich die Wissenschaftler:innen aus dem Kompetenzverbund und Mitarbeitenden der Landesinstitute darüber beraten, wie sich eine Zusammenarbeit nachhaltig gestalten lässt. Die persönliche Begegnung sei dabei unheimlich wichtig, „um ein Gespür füreinander zu bekommen“, so Michaela Weiß.
Dem Prozess des gegenseitigen Kennenlernens misst auch Hendrik Stammermann von der Stabsstelle Wissenschaftstransfer des Hamburgischen Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) viel Bedeutung zu. „Um die Beziehung aufzubauen, die es braucht, um nachhaltig miteinander arbeiten zu können, muss man sich persönlich kennenlernen“, ist Stammermann überzeugt. Die Roadshow habe dazu enorm beigetragen – und die Akzeptanz des Kompetenzverbunds innerhalb des Landesinstituts erhöht. „Der Besuch der Transferstelle inklusive der Leitung in unserer Komfortzone hat bei uns viele Türen geöffnet und die Relevanz des Projektes deutlich werden lassen.“ Ein wichtiger Schritt, bedeutet die Übernahme der Projektergebnisse für das Landesinstitut doch erst einmal Mehrarbeit, wie Stammermann erklärt.
Systembedingte Herausforderungen kennenlernen
„Im Kompetenzverbund entstehen ja über 200 Produkte, die wir durcharbeiten müssen, um zu entscheiden, welche wir übernehmen wollen. Selbst wenn es für alle Produkte eine einseitige Übersicht gibt, sind das immer noch 200 Seiten“, sagt Stammermann. Hinzu komme, dass das Landesinstitut Konzepte eventuell landesspezifisch anpassen und seine Fortbildner:innen schulen müsse, damit diese die Fortbildungen selbst kompetent durchführen könnten. Darüber hinaus gelte es, sich zu entscheiden, wie sich die kognitive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Fortbildungsinhalten prüfen lasse. Reicht schon allein die Teilnahme am Kurs für ein Zertifikat oder müssen die Teilnehmer:innen am Ende eine bestimmte Leistung erbringen? „Die Übernahme ist kein trivialer Prozess“, so Stammermann, auch wenn die Konzepte kostenfrei zur Verfügung stehen. So können die Landesinstitute über die länderübergreifende Plattform ComPleTT zwar direkt auf Inhalte zugreifen und diese mit Wissenschaftler:innen kollaborativ bearbeiten, doch zusätzliche Ressourcen erhalten sie dafür nicht. „Das bedeutet, um die Projekte nutzen zu können, müssen wir zunächst investieren.“
Unterstützung sollen an dieser Stelle die im Kompetenzverbund entwickelten Qualifizierungsangebote für Multiplikator:innen bieten. Sie „dienen auch explizit dem Zweck, Fortbildner:innen für die Durchführung der im Kompetenzverbund entwickelten Fortbildungen zu qualifizieren. Dies ist ein wichtiger Baustein für den nachhaltigen Transfer der Projektergebnisse in die Länder“, erklärt Isabell van Ackeren-Mindl, Professorin für Bildungssystem- und Schulentwicklungsforschung an der Universität Duisburg-Essen und Leiterin des Bereichs „Qualifizierung von Multiplikator:innen“ in der Transferstelle. „Die Angebote zielen auf ein breites Spektrum professioneller Handlungskompetenzen ab“, führt van Ackeren-Mindl weiter aus. Neben fundierten fachlichen und fachdidaktischen Fähigkeiten stehen unter anderem spezifische Methodenkompetenzen für die Erwachsenenbildung im Mittelpunkt, digitale Kompetenzen sowie die Fähigkeit, Schulentwicklungsprozesse zu begleiten oder Qualitätsentwicklungskonzepte zu erarbeiten und umzusetzen. Ein besonderer Fokus liege auf der Kompetenz, theoretisches Wissen und praktische Umsetzung miteinander zu verbinden.
Vernetzung auf verschiedenen Ebenen
„Für den Erfolg des Kompetenzverbunds ist die Qualifizierung der Multiplikator:innen entscheidend“, betont Manuela Endberg, die als Teil des Teams von van Ackeren-Mindl eines der entsprechenden Projekte leitet. Schließlich schulen die Fortbildner:innen wiederum die Lehrkräfte und beeinflussen dadurch maßgeblich, „wie wirksam neue Konzepte und Materialien in der Schulpraxis ankommen und umgesetzt werden“. Die im Kompetenzverbund geförderte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und den Landesinstituten beziehungsweise Qualitätseinrichtungen der Länder soll dabei „gewährleisten, dass die Angebote zur Qualifizierung sowohl wissenschaftlich fundiert als auch praxistauglich sind“. Unterstützung bietet in diesem Zusammenhang der vom Forschungsteam der Universität Duisburg-Essen initiierte „Arbeitskreis Multiplikator:innen“. Regelmäßig bringt dieser Vertreter:innen aus Landesinstituten beziehungsweise Qualitätseinrichtungen fast aller Bundesländer und Wissenschaftler:innen des Kompetenzverbunds zusammen. Mit ihm verbindet sich die Erwartung, systematisches Wissen über die Rekrutierung, Qualifizierung und den Einsatz von Multiplikator:innen in den staatlichen Fortbildungsstrukturen aufzubauen. Dafür dient eine im Arbeitskreis ko-konstruktiv entwickelte Befragung der Landesinstitute. Gleichzeitig erleichtert der Arbeitskreis den länderübergreifenden Austausch zu bewährten Qualifizierungskonzepten und kann zur Entwicklung gemeinsamer Qualitätsstandards beitragen.
Direkt mit einzelnen Fortbildungskonzepten auseinandersetzen können sich Multiplikator:innen in der Veranstaltungsreihe Boxenstopp des Kompetenzverbunds. Darin stellen Expert:innen der Fachdidaktik und Bildungswissenschaft aus den 24 lernen:digital Projektverbünden ihre Ergebnisse vor – länderübergreifend, virtuell, niedrigschwellig. Das Format befinde sich „an einer entscheidenden Schnittstelle zwischen den verschiedenen Systemen“, sagt Fabian Rösch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam und für die Umsetzung des Formats verantwortlich. Dabei folgt auf eine kurze Präsentation von rund 20 bis maximal 30 Minuten eine gemeinsame Diskussion des Konzepts mit den Teilnehmenden.
Die Rückmeldungen aus der Praxis würden im besten Fall ermöglichen, aus gewohnten Denkmustern und Routinen herauszutreten, so Rösch. „Das beste Beispiel dafür ist die Frage einer Teilnehmerin aus Bremen, die nach einer Präsentation wissen wollte, ob die vorgestellte Fortbildung auch mit dem Praxisteil statt der Theorie starten könnte. An diese Option hatten die beiden verantwortlichen Wissenschaftlerinnen bis dahin nicht gedacht.“ Diese gelebte Ko-Konstruktivität sei genau eines der Ziele, die der Kompetenzverbund verfolge, auch langfristig.
Gelingensbedingungen einer langfristigen Zusammenarbeit
Der Wunsch nach Nachhaltigkeit beschäftigt auch Hanna Dumont und ihr Forschungsteam: Wie kann der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis dauerhaft gelingen? In Einzelvorhaben ermitteln sie daher unter anderem förderliche und hinderliche Bedingungen. „Die Frage, wie Transfer gelingt, können wir zwar noch nicht vollständig beantworten, aber wir haben ein paar Grundherangehensweisen“, so Dumont. Zentral sei, dass die Vertreter:innen von Wissenschaft und Praxis auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, sich dabei auf Augenhöhe begegnen, die jeweilige Expertise als gleichwertig anerkennen, kontinuierlich im Dialog stehen, transparent kommunizieren und an bereits bestehende Strukturen anknüpfen. Alles Bedingungen, die sich auch in den aktuellen Transferformaten wiederfinden und deren Bedeutung die jeweils Verantwortlichen ebenfalls betonen. Michaela Weiß fasst die Voraussetzungen prägnant zusammen: „Damit die Zusammenarbeit gelingt, braucht es einen andauernden Prozess und ein offenes Mindset, dass wir jeweils voneinander lernen können. Ganz nach dem Motto: Kooperation statt Konkurrenz.“
Weiterführende Informationen
Gemeinsamer Transferweg: die Plattform ComPleTT