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Interview mit Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz.

Redaktion: Michaela Achenbach, DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation

Schulentwicklung – Digitalisierung – Demokratieförderung – diese drei Themen bilden den Rahmen Ihrer Arbeit im Projektverbund SchuDiDe. Warum haben Sie diesen Zusammenhang in den Fokus gerückt?

Ralf Koerrenz: Digitalisierung ist ein Wandlungsprozess, der das Verhältnis von Schule und Gesellschaft grundsätzlich verändert. Das Lernen von Kindern und Jugendlichen wird durch Smartphones, Social Media und KI als außerschulischen Erziehungsmächten mitgesteuert. Diese stellen das Handeln in der Schule und durch die Schule in einer neuen Qualität auf den Prüfstand.

Die Veränderung von Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspannen durch Tempo und Reizintensität von digitalen Medien und die Entgrenzung unseres hirnphysiologischen Belohnungssystems (z. B. mit Blick auf das Aushalten von Unlust, auf den Belohnungsaufschub in komplexeren und langwierigeren Lernprozessen etc.) ist ein markanter Punkt.

Ein anderer bezieht sich auf die digitalen Lebenswelten von Schüler:innen, die durch die Omnipräsenz von Smartphones und darauf genutzten Apps als wirkmächtige Normalität Einzug in den schulischen Alltag gehalten haben.

Dies sind nur zwei Hintergründe, die soziale Phänomene wie den Umgang mit Fake News oder die Kommunikation in virtuellen Räumen als explizit schulische Herausforderungen markieren. Denn: Wenn wir Schule als einen sozialen Raum verstehen, der auf das Leben in einer demokratischen Gesellschaft vorbereiten soll und somit mittelbar auf diese Gesellschaft wirkt, bekommt die Wirkmacht von digitalbasierten Mit-„Erziehern“ eine besondere Brisanz. Die digitale Schulentwicklung nimmt deswegen auch die Förderung der pluralitätsoffenen und zugleich wertebasierten Persönlichkeitsentwicklung in einer vielfältigen, demokratischen Gesellschaft in den Blick.

Und was genau ist das Ziel ihres Vorhabens?

Ralf Koerrenz: Die Gestaltung von Schule als Institution auf der Makroebene, von schulischer Alltagspraxis aller Beteiligten auf der Mesoebene und des Unterrichts auf der Mikroebene verlangt im Zuge der Digitalisierung mit Blick auf ein demokratisches Zusammenleben nach einer Neujustierung. Hierzu wollen wir in einer Art Baukasten-System in enger Kooperation mit den beteiligten Schulen exemplarische Fortbildungsformate bereitstellen, die die Aufmerksamkeit auf den systemischen Zusammenhang von Digitalisierung und Demokratieförderung in der Schulentwicklung richten.

Ein solches Anliegen führt auf der Makroebene dazu, dass rechtliche und ethische Rahmenbedingungen der digitalen Schulentwicklung aufbereitet werden. Weiterhin soll die Digitalisierung auf der Mesoebene – etwa mit Blick auf partizipative Entscheidungsstrukturen oder interkulturelle Kooperationen – so fruchtbar gemacht werden, dass Schulen Demokratie durch Formate und Angebote erlebbar machen können und im besten Fall selbst Erfahrungsräume der Demokratie werden. Auf der Mikroebene geht es darum, digitale Entwicklungen in die Unterrichts- und Prüfungskonzeption partizipativ einzubeziehen.

Alles in allem wird Demokratieförderung in der Schule durch die Digitalisierung noch stärker als zuvor als eine Werkstatt sichtbar, die – vielleicht auch mithilfe unserer Angebote – von der jeweiligen Einzelschule gestaltet werden muss.

„Alles in allem wird Demokratieförderung in der Schule durch die Digitalisierung noch stärker als zuvor als eine Werkstatt sichtbar, die von der jeweiligen Einzelschule gestaltet werden muss.“

Ralf Koerrenz

Wo liegt Ihrer Meinung nach der besondere Nutzen einer digitalen Schulentwicklung in Sachen Demokratieförderung?

Ralf Koerrenz: Bereits im frühen Kindesalter wird unsere Alltagskultur oftmals durch die Normalität digitaler Mediennutzung geformt. Demokratieförderung in der und durch die Schule wird dadurch in einer neuen Weise herausgefordert. Ein Bewusstsein dafür, dass unsere Vorstellungen eines pluralitätsoffenen, zugleich aber im Sinne des Grundgesetzes wertebasierten Miteinanders durch die Form und Inhalte digitaler Medien hinterfragt und teilweise angegriffen werden, ist ein erster Realitätsgewinn, wenn wir Schule heute nüchtern betrachten wollen.

Fake News, fundamentalistische Weltdeutungsmuster und eine neue Qualität der Selbstkonstruktion über Konsum und zahlreiche Identifizierungsangebote sind nur drei Aspekte, die ganz wesentlich digital in den Alltag der Schüler:innen eingewoben sind.

Den Umgang mit der Realität von Digitalisierung über eine Optimierung von technischen Anwendungen und der Entwicklung von neuen Kreativitätsformaten in Lehr-Lern-Prozessen – um nur zwei Aspekte zu nennen – hinaus um die gesellschaftspolitische Dimension zu erweitern, macht digitale Schulentwicklung realistischer und alltagsnäher.

Der schulische Alltag wirkt für Lernende und Lehrende mit Blick auf die Steuerungsprozesse von und Einflussfaktoren auf Lernen oft undurchsichtig und konfus. Diese Undurchsichtigkeit produziert eine eigene Form von Stress und führt zu einer zusätzlichen Überforderung – beispielsweise mit Blick auf die Gestaltungsaufgaben politischer Bildung. Insofern kann ein Bewusstsein für die digitalen Mit-„Erzieher“ gerade mit Blick auf demokratisches Lernen für etwas Aufklärung über den Alltag sorgen.

Und wie verhalten sich Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Perspektive zueinander?

Ralf Koerrenz: Schule kann nicht direkt und unmittelbar die Gesellschaft prägen, ist durch ihre Verantwortung für das Lernen von Heranwachsenden in den verschiedenen Ausdrucksformen schulischen Handelns – vom Verhalten der Lehrenden über die Lerninhalte bis hin zu sozialräumlichen und materialräumlichen Arrangements – jedoch keineswegs bedeutungslos.

Bestenfalls kann digitale Schulentwicklung durch die Anerkennung dieser Situation den Raum für schulinterne Aushandlungsprozesse zu Maßnahmen der Demokratieförderung im Horizont der Digitalität schaffen. Unsere Materialien und Fortbildungsangebote sollen hierfür Impulse bereitstellen.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den fünf beteiligten Universitäten im Projektverbund?

Ralf Koerrenz: Unser Netzwerk hat ein gemeinsames Anliegen, aber eine zugleich koordinierte und heterogene Binnenstruktur. Uns verbindet der Anspruch, Demokratieförderung und Digitalisierung in einer Art Laboratorium in verschiedenen Fortbildungsformaten zu gestalten. Darüber tauschen wir uns regelmäßig präsentisch und digital aus. Für den Herbst 2024 ist eine Klausurtagung in einer der Partnerschulen angedacht. In der Binnenstruktur ist unser Verbund in fünf Tandems organisiert, die einen speziellen thematischen Austausch pflegen. Den thematischen Aufbau und die Struktur des Verbundprojektes kann man am besten in einer grafischen Darstellung nachvollziehen.

Kooperieren Sie auch mit anderen Projektverbünden und Beteiligten im Kompetenzzentrum Schulentwicklung?

Ralf Koerrenz: Die Kooperation mit anderen Akteuren aus dem Gesamtprojekt Digitale Schulentwicklung ist bei uns über Einzelaktivitäten der Teilprojekte organisiert. Innerhalb unseres Kompetenzzentrums hat es unter anderem Kooperationen mit einem anderen Verbund bei einer Zeitschriften-Publikation gegeben. Darüber hinaus gibt es Vernetzungen beispielsweise in das Kompetenzzentrum Musik/Kunst/Sport mit Blick auf das Thema „Künstliche Intelligenz“. Und durch die große Tagung „Digitale Transformation für Schule und Lehrkräftebildung gestalten“ in Potsdam werden sicher noch weitere Kooperationen entstehen. 

Was werden die Lehrkräfte in den Fortbildungen lernen, die Sie zurzeit entwickeln?

Ralf Koerrenz: Hier möchte ich zwei Ebenen unterscheiden.

Zum einen geht es uns – wie auch anderen Verbünden – darum, digitale Schulentwicklung als eine gesellschaftliche Herausforderung zu verstehen. Bei allem Nutzen der Einführung und Optimierung von Digitalisierung als ein Set von Techniken sind Lehrkräfte mit den Folgeerscheinungen der alle Lebensbereiche beeinflussenden Digitalnutzung der einzelnen Schüler:innen konfrontiert. Die Lehrkräfte können unseren Angeboten – quasi als eine Art Leitfaden – eine Wertschätzung der sozialen Dimension digitaler Schulentwicklung entnehmen: als Impuls für die immer nur konkret vor Ort zu definierenden Herausforderungen und für die entsprechenden Strategien und Haltungen zu deren Bewältigung.

Zum anderen geht es uns um ganz konkrete Angebote, diese Gestaltungsaufgaben vor Ort zu unterstützen, zu inspirieren und zu motivieren. Zu diesen Angeboten gehören rechtliche und ethische Orientierungen z. B. für Schulkonferenzen, aber auch Fortbildungsformate zur Radikalisierungsprävention. Es geht bei uns außerdem um Fortbildungen zu globalen Netzwerken und zu digitalen Projekttagen. Weitere Angebote beziehen sich auf neue Formen der Partizipation von Schüler:innen an der Schulkultur, auf kollegiale Unterrichtsentwicklung oder auch auf Auswirkungen und Potenziale textgenerierender KI in der Schule. Unsere Angebote sind vielfältig, wie auch demokratisches Lernen nur im Plural, in einer orientierenden Vielfalt gedacht werden kann. Verbunden sind alle Angebote in der Überzeugung, dass Schulentwicklung auch die gesellschaftliche Dimension der Digitalisierung mit in den Blick nehmen sollte – weil sie den Alltag aller an der Schule Beteiligten mitbestimmt.

„Uns geht es um ganz konkrete Angebote, diese Gestaltungsaufgaben vor Ort zu unterstützen, zu inspirieren und zu motivieren. Zu diesen Angeboten gehören rechtliche und ethische Orientierungen z. B. für Schulkonferenzen, aber auch Fortbildungsformate zur Radikalisierungsprävention.“

Ralf Koerrenz

In welcher Phase – Entwicklung, Erprobung oder Evaluation der Fortbildungen – befinden Sie sich zurzeit?

Ralf Koerrenz: Das ist von Teilprojekt zu Teilprojekt unterschiedlich.

Diejenigen Projekte, die in Abstimmung mit den Partnerschulen Projekte für die Praxis entwickeln bzw. entwickelt haben, befinden sich jetzt in oder kurz vor den entsprechenden Erprobungsphasen.

Einige Projekte folgen dem Ansatz, die Weiterbildung mit Teams aus einem Schulnetzwerk „von unten“ zu entwickeln. Diese haben jetzt die Vorbereitungen abgeschlossen, um im nächsten Schuljahr die Fortbildungen kooperativ zu entwickeln. Ein solch alltagspraxisbasiertes Vorgehen folgt anderen Rhythmen.

Wie werden ihre Lern- und Fortbildungsformate in der Praxis erprobt?

Ralf Koerrenz: Auch das ist von Teilprojekt zu Teilprojekt unterschiedlich. Je nach Prozesskonzeption werden schon jetzt bestimmte Formate im Austausch mit den beteiligten Schulen getestet.

Andere Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass sie erst im Laufe des kommenden Schuljahres mit Akteuren aus der Praxis erarbeitet werden – als „Best-Practice“-Modelle für andere Schulen.

Wie gelingt es Ihnen, Ihre Produkte nachhaltig und für eine größere Zielgruppe zu sichern?

Ralf Koerrenz: Wir werden den Transfer der digitalen Materialien und Maßnahmen durch Bereitstellung der Produkte auf zentralen digitalen Plattformen sowie OA- und OER-Veröffentlichungen für eine größere Zielgruppe zu sichern versuchen. Was davon wie genutzt wird, liegt natürlich im Wesentlichen in der Entscheidungshoheit der Bundesländer. Dabei soll die Implementierung durch Kooperation mit Partnern in allen Phasen der Lehrkräftebildung sowie Kultus- und Landesministerien unterstützt werden.

Ergänzend soll die Vorstellung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse in der wissenschaftlichen Community nicht nur die (kritische) Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der digitalen Maßnahmen und Materialien ermöglichen, sondern auch weitere Verbreitungs- und Vernetzungsmöglichkeiten eröffnen.

„Wir werden den Transfer der digitalen Materialien und Maßnahmen durch Bereitstellung der Produkte auf zentralen digitalen Plattformen sowie OA- und OER-Veröffentlichungen für eine größere Zielgruppe zu sichern versuchen.“

Ralf Koerrenz

Im Verbund SchuDiDe konzipieren Sie ein länderübergreifendes Forum. Welcher Impuls soll davon ausgehen?

Ralf Koerrenz: Ausgehend von den am Verbund beteiligten Personen aus fünf Bundesländern werden wir das Forum im Laufe des kommenden Schuljahrs zunächst digital konzipieren. Mit dem Forum soll das Thema „Digitalisierung – Schule – Demokratie“ sichtbar gemacht werden. Zu unseren nächsten Aufgaben in diesem Bereich wird es gehören, Möglichkeiten der Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren auszuloten.

Parallel hierzu werden wir von Jena ausgehend das Thema mit der Organisation von Fachtagungen zu unterstützen versuchen. Bei alledem werden wir immer zu prüfen haben, wie unsere Vorstellungen zu „Digitalisierung – Schule – Demokratie“ mit den gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt halten können. Denn die Entwicklungen unseres demokratischen Zusammenlebens sind notwendig dynamisch und in einer spezifischen Weise offen – das gehört nun einmal zur Eigenheit von Demokratie untrennbar hinzu, auch mit Blick auf die Auseinandersetzung mit bestimmten Gefährdungen.

Klar ist bei alledem jedoch, dass Digitalisierung einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von Demokratie hat – und Schule als eine gesellschaftlich definierte Institution davon (bewusst oder unbewusst) stark geprägt ist. Zu einem kritisch-konstruktiven Umgang mit dieser Situation möchte unser Verbund auf den schon genannten Ebenen Bausteine in Form von Fortbildungsangeboten beisteuern.

Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz

Ralf Koerrenz ist Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und arbeitet dort an dem von ihm mitgegründeten Institut für Bildung und Kultur. Mit seinem Team hat er die allgemeinpädagogische Konzeption der Kritisch-Operativen Pädagogik (KOP) entwickelt, die über ein Verständnis pädagogischen Handelns (Lernsteuerung und Wahrnehmungsinszenierung) sowie einem Verständnis von Kritik als Unterscheidung (Analytik) und Entscheidung (Pragmatik) auch einen neuen Rahmen für empirische Forschungsdesigns bereithält.

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Interview mit Prof. Dr Christian Reintjes. Redaktion: Petra Schraml, DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation

Der Projektverbund DigiSchuKuMPK möchte die „Ganztagsgrundschulen der Zukunft“ mitgestalten. Was heißt das konkret?

Christian Reintjes: Die Gesellschaft ist in einem starken Wandel begriffen und das gilt natürlich auch für die Grundschulen. Nicht nur hinsichtlich der zunehmenden Diversität innerhalb der Schüler:innenschaft und der voranschreitenden Digitalisierung, sondern vor allem auch hinsichtlich der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Jahr 2026. Im Zentrum des Verbundprojektes DigiSchuKuMPK steht deswegen eine personale Strategie, nach der das gesamte pädagogische Personal an Ganztagsgrundschulen für eine ganzheitliche Schul- und Unterrichtsentwicklung mit den Schwerpunkten Inklusion und Ganztag professionalisiert werden soll. Dafür entwickeln wir in ko-konstruktiver Zusammenarbeit mit Akteur:innen aus 30 beteiligten Projektschulen Professionalisierungsbausteine. Es wird dabei auch berücksichtigt, wie digitale Medien für eine kooperative und professionsübergreifende Professionalisierung gewinnbringend eingesetzt werden können.

Für die Entwicklung der Professionalisierungsbausteine haben Sie vier Communities of Practice (CoPs) gebildet. Welche Schwerpunkte haben diese?

Christian Reintjes: In der CoP 1 Heterogenitätssensible Kooperationsentwicklung wird eine auf der Schüler:innenperspektive basierende inklusive Schulkulturentwicklung angeregt, die die Lehrkräfte und das gesamte pädagogische Personal auch des Ganztags einbezieht. Digitale Tools unterstützen diesen Prozess und werden gemeinsam von den Projektschulen und dem Wissenschaftler:innenteam erprobt und weiterentwickelt.

CoP 2 legt hingegen den Schwerpunkt auf die Unterstützung ressourcen- und sozialraumorientierter Schulentwicklungsprozesse in den Projektschulen. Dabei ist es das Ziel, gemeinsam ein neues digitales Tool zu entwickeln und zu erproben, welches der Sensibilisierung aller Akteur:innen in Schule für die (super)diversen Voraussetzungen der je eigenen Schülerschaft dient.

Und worum geht es in CoP 3 und 4?

Christian Reintjes: CoP 3 will an den kooperierenden Schulen Kapazitäten für eine „Datenbasierte Schulentwicklung“ aufbauen. Im Fokus steht die kollaborative Entwicklung und Nutzung digitaler Tools. Innovativ ist, dass zum Data Team neben den Lehrkräften und Schulleitungen auch das pädagogische Personal des Ganztags gehört, damit partizipative multiprofessionelle Schulentwicklungsarbeit betrieben werden kann.

 

CoP 4 hat zum Ziel, ein digitales Angebot zu entwickeln, das Schulen dabei hilft, sich eine Schulkultur des selbstregulierten Lernens (SRL) zu eigen zu machen. Erfahrungen aus vorangegangenen Ganztagsschulentwicklungsprojekten wie „Ganz In“ zeigen, dass erfolgreiches und flächendeckendes SRL nicht allein durch Unterrichtsentwicklung umgesetzt wird, sondern dass die gesamte Schule ein ganzheitliches Konzept benötigt und im Prozess der Entwicklung und Implementierung begleitet werden sollte. Das gesamte pädagogische Personal muss demnach wissen, was SRL ist, welchen Benefit es mit sich bringt, wie man es bei Schüler:innen fördert und wie der Transfer in verschiedene Fächer, aber auch in den außerschulischen Lebensraum unterstützt werden kann (Stebner et al., 2022; Wirth et al., 2020).

„Innovativ ist, dass zum Data Team neben den Lehrkräften und Schulleitungen auch das pädagogische Personal des Ganztags gehört, damit partizipative multiprofessionelle Schulentwicklungsarbeit betrieben werden kann. “

Christian Reintjes

An dem Projekt sind fünf Universitäten in drei verschiedenen Bundesländern beteiligt, dazu kommen 30 Projekt-Grundschulen, die Verbundkoordination und die Zusammenarbeit mit den Broker:innen. Wie sehen die Arbeitsprozesse innerhalb und zwischen den CoPs aus?

Christian Reintjes: CoP-interne Kooperations- und Kommunikationsstrukturen wurden von Projektbeginn an implementiert. Es finden regelmäßig digitale und Präsenztreffen auf Mitarbeitendenebene sowie mehrtägige Klausurtagungen statt, in denen standortübergreifende Schwerpunkte abgesprochen werden. Kern der gemeinsamen Arbeit zwischen den beteiligten Wissenschaftler:innen und den Schulen sind Entwicklungswerkstätten mit den je unterschiedlichen Schwerpunkten der COPs. Auf der Grundlage dieser gemeinsamen Erfahrungen werden später die Fortbildungsmodule entwickelt und frei zur Verfügung gestellt.

Natürlich entstehen auch zwischen den CoPs Synergien, z. B. durch regelmäßige Treffen der DigiSchukuMPK-Steuerungsgruppe, in die auch die Broker:innen involviert sind, sowie durch gemeinsame thematische Workshops, aber auch durch die Vorbereitung gemeinsamer Publikationen oder Symposien auf Fachtagungen. Drei Mitarbeitende kümmern sich zusätzlich um die Koordination und Evaluation und pflegen die Homepage und die Social-Media-Kanäle, über die die CoPs ihre Vorstellungen und Ziele einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.

Können Sie Beispiele für die Produkte nennen, die in den Entwicklungswerkstätten der vier CoPs entstehen werden?

Christian Reintjes: Es entstehen ganz unterschiedliche digitale bzw. digitalisierungsbezogene Prototypen, die Schulentwicklung und multiprofessionelle Kooperation unterstützen. Sie sind auf die Bedarfe der einzelnen Schulen angepasst, deshalb führen wir anfangs an allen 30 Projektschulen eine Ausgangserhebung durch. Wir wollen zunächst herausfinden, vor welchen Problemen und Herausforderungen sie stehen und inwiefern multiprofessionelle Schulkulturentwicklung unterstützend wirken kann. Gemeinsam mit einer Schule, der es um datengestützte Schulentwicklung geht, entwickeln wir beispielsweise eine App, eine Art Dashboard, an der Schulleitungen, das pädagogische Personal, die Lehrkräfte, vielleicht auch die Eltern gemeinsam partizipieren können, um sich so besser auf strategische Schulentwicklungsziele konzentrieren zu können. Zusammen mit einer anderen Schule entwickeln und erproben wir Fortbildungsangebote, die das gesamte pädagogische Personal im Bereich des selbstregulierten Lernens schult. Wichtig ist uns immer, dass die Produkte in den Entwicklungswerkstätten mit allen an Schulen Beteiligten konzipiert, entwickelt, erprobt und evaluiert werden.

„Wichtig ist uns immer, dass die Produkte in den Entwicklungswerkstätten mit allen an Schulen Beteiligten konzipiert, entwickelt, erprobt und evaluiert werden.“

Christian Reintjes

In welcher Phase des Projekts befinden Sie sich zurzeit?

Christian Reintjes: Aktuell haben wir teils mit einigen Schulen die Entwicklungswerkstätten bereits vorbereitet und für das kommende Schuljahr terminiert, mit anderen bereiten wir den ersten Kickoff vor. Zugleich werden Ausgangserhebung und formative Evaluation der Entwicklungswerkstätten ausgearbeitet. Mit den Ausgangserhebungen ‒ leitfadengestützte Interviews ‒ wollen wir in Erfahrung bringen, mit welchen Zielen und aus welchen Gründen sich die Schulen an unserem Projekt beteiligen, wo sie Chancen für ihre Schulentwicklung sehen, wie sie zum Thema Digitalisierung stehen, wie bei ihnen bisher gelebte Kooperation aussieht und wie ihr Ganztag gestaltet ist.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht? Was läuft gut, wo liegen Schwierigkeiten?

Christian Reintjes: Im Verbundprojekt haben wir ein vielseitiges Team in allen Teilprojekten zusammengestellt, das sowohl standort- als auch CoP-übergreifend hervorragend zusammenarbeitet. Viele meiner Kolleg:innen auf professoraler Ebene kenne ich schon seit Jahren, die Zusammenarbeit und Kommunikation mit ihnen funktioniert exzellent. Diese positive Dynamik überträgt sich natürlich auch auf das gesamte wissenschaftliche Personal, das eng in unsere Arbeit eingebunden ist. Die harmonische Atmosphäre legt bereits einen bedeutenden Grundstein für das Gelingen des Projektes, auch die Arbeiten laufen passgenau und zeitplangemäß ab. Was uns Schwierigkeiten bereitete, war die Schulakquise. Bei den vielfältigen Herausforderungen, die gegenwärtig in Schulen zu bearbeiten sind, ist es natürlich verständlich, dass einige Schulen zunächst zurückhaltend reagiert haben. Sie wollten genau wissen, wie groß der Arbeitsaufwand ist und was am Ende der Benefit für sie ist.

Wie werden die Produkte nach Projektende auch anderen Ganztagsgrundschulen zur Verfügung gestellt?

Christian Reintjes: Wenn wir die Konzepte mit unseren Projektschulen entwickelt und erprobt haben, wollen wir gemeinsam mit Expert:innen der Lehrerfortbildung in den Landessinstituten überlegen, wie wir aus diesen prototypischen Produkten eine sinnvolle Disseminationsstrategie entwickeln. Geplant ist, die entstandenen Produkte beispielsweise in Form von Open Educational Resources (OER) in einer Datenbank anzubieten, so dass jede interessierte Schule darauf zugreifen kann. Denkbar ist auch, die Materialien in bereits bestehende Fortbildungsplattformen zu integrieren. Wichtig ist uns immer, die Materialien, Apps und Produkte allen Interessierten barrierefrei zur Verfügung zu stellen, damit möglichst viele Grundschulen davon profitieren können.

Prof. Dr. Christian Reintjes
Christian Reintjes ist Professor für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt empirische Schul- und Unterrichtsforschung an der Universität Osnabrück. Charakteristisch für seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte ist eine hohe Affinität zur Politikberatung (u. a. als Mitglied der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission, SWK) sowie der Anspruch, wissenschaftliche Erkenntnisse in die (Bildungs-) Praxis sowie die Bildungspolitik zu transferieren. Seit Mitte 2023 ist er als Verbund- bzw. Standortkoordinator in zwei vom BMBF geförderten Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung involviert (DigiSchuKuMPK & DigiProSMK) Zugleich ist er als gewählter Sprecher des Kompetenzzentrums Schulentwicklung Mitglied des Begleitgremiums des Kompetenzverbund lernen:digital.
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Interview mit Prof. Dr Matthias Wilde und Prof. Dr. Stefanie Schwedler. Redaktion: Petra Schraml, DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation

Sie entwickeln im Projektverbund LFB-Labs-digital Lehrkräftefortbildungen für digital gestützten Unterricht im MINT-Bereich. Welche Institutionen bzw. Personen sind an dem Projektverbund beteiligt und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?

Stefanie Schwedler: Im Projektverbund LFB-Labs-digital sind wir ein Team aus MINT-Fachdidaktiker:innen, Bildungswissenschaftler:innen, Medienpädagog:innen und IT-Expert:innen. Insgesamt beinhaltet unser Projektverbund 14 Teilprojekte über acht Standorte in Deutschland verteilt, eine Steuerungsgruppe und einen Implementierungsbeirat.

Matthias Wilde: Der Austausch ist sehr intensiv. Wir treffen uns mindestens einmal im Monat zu einem Jour fixe, innerhalb der einzelnen Ebenen gibt es viele zusätzliche Treffen. Zum ersten Mal kamen wir im Juni 2023 zu einer zweitägigen Klausur zusammen. Zu dem Zeitpunkt waren wir schon 37 Personen, obwohl noch nicht alle Stellen besetzt waren.

Stefanie Schwedler: Wir haben dieses Treffen als sehr wertvoll erlebt. Gemeinsam über die Wahl der Erhebungsinstrumente und die konzeptionelle Ausrichtung der verschiedenen Fortbildungen des Projektverbunds nachzudenken, hat uns als Team zusammengeschweißt.

Kooperieren Sie auch mit anderen Projektverbünden und Beteiligten aus dem Kompetenzzentrum MINT?

Matthias Wilde: Ja, es gibt regelmäßige Treffen mit Lara Halbrock, der Leiterin des Broker:innen-Teams aus unserem Kompetenzzentrum. Oft nimmt sie auch an unserem Jour fixe teil. Und auch mit den übrigen Projektverbünden des Kompetenzzentrums MINT sind wir im Gespräch. Dadurch, dass einige unserer Kolleg:innen auch an ComMINT beteiligt sind, haben wir einen engen Austausch mit diesem Projektverbund. Zudem haben wir sehr engen Kontakt mit der Transferstelle Bielefeld Bildung digital (TraBBi_digital), die ebenfalls mit ComMINT, aber auch mit ComArts und ComSport verbunden ist.

Was werden die Lehrkräfte in den Fortbildungen lernen, die Sie zurzeit entwickeln?

Stefanie Schwedler: Wir entwickeln strukturell und didaktisch sehr anspruchsvolle transferstarke Lehrkräftefortbildungen im Bereich der digitalen Kompetenzen im MINT-Unterricht über sieben verschiedene MINT-Disziplinen hinweg – in der Mathematik, der Robotik, im Sachunterricht (dazu gehört der Bereich Technik), in der Chemie, der Physik, der Biologie und der Biotechnologie. Die Fortbildungen sind für Lehrkräfte von allen allgemeinbildenden Schulformen geeignet. Uns ist wichtig, dass die Lehrkräfte in den Fortbildungen nicht nur digitale Tools kennenlernen, sondern auch technische, pädagogische und fachliche Kompetenzen erwerben, damit sie sie sinnstiftend im eigenen Unterricht einsetzen und anwenden können. Die Lehrkräftefortbildungen sind deshalb häufig projektorientierte Formate, in denen die Lehrkräfte selbst kleine Settings entwickeln und darüber reflektieren, wie der Transfer in den Unterricht gelingen kann.

„Uns ist wichtig, dass die Lehrkräfte in den Fortbildungen nicht nur digitale Tools kennenlernen, sondern auch technische, pädagogische und fachliche Kompetenzen erwerben, damit sie sie sinnstiftend im eigenen Unterricht einsetzen und anwenden können.“

Stefanie Schwedler

Können Sie ein Beispiel nennen?

Stefanie Schwedler: Jedes Fach fokussiert andere digitale Tools in seinen Fortbildungen. Ich arbeite in der Chemie mit Moleküldynamik-Simulationen, die helfen, das dynamische Verhalten großer Teilchenmengen zu verstehen. Es gibt aber auch Fortbildungen zu phylogenetischer Software oder zu interaktiven Experimentiervideos. In unserer Fortbildung erarbeiten wir mit den Lehrkräften die Grundlagen zum Lernen mit Moleküldynamik-Simulationen, also zum Beispiel, woran man eine gut gestaltete Simulation passend zu dem, was ich im Unterricht vorhabe, erkennt und wie man diese in einen sinnstiftenden Lernweg einbetten kann. Die Lehrkräfte entwickeln in multiprofessionellen Teams gemeinsam mit Wissenschaftler:innen und Student:innen ein Lernsetting für ihre Schüler:innen und überprüfen dann, wie die Schüler:innen das Lernsetting annehmen und wo Schwierigkeiten liegen. Direkt im Anschluss führen wir eine individuelle Reflexion mit jeder einzelnen Lehrkraft durch und überlegen am Ende mit allen Lehrkräften gemeinsam, was gut funktioniert hat, was nicht und wie der Transfer in den Unterricht gelingt. Wir erleben es als sehr wertvoll, dass die Lehrkräfte selber darüber nachdenken, wie sie das Tool gewinnbringend in ihren Unterricht einbinden.

Das heißt, die Lehrkräfte und Schüler:innen können ihre Erfahrungen aus dem Schul- und Unterrichtsalltag bei der Erprobung der Fortbildungen direkt mit einbringen?

Stefanie Schwedler: Ja, die Lehrkräfte bringen ganz viel Erfahrung und Expertise in die Fortbildungen mit ein. Umgekehrt können durch den engen Austausch die Erkenntnisse aus den Lehrkräftefortbildungen auch leichter in den Unterricht transferiert werden. Es hilft, wenn Lehrkräfte die Relevanz für ihren eigenen Unterricht erkennen. Dazu können die Lehrkräfte je nach Fortbildung sowohl fremde Lernsettings erproben und bewerten als auch neue Settings gestalten. Auch das Ausprobieren der Settings mit den Schüler:innen im Schüler:innenlabor oder im regulären Unterricht ist strategisch in unserer Fortbildung verankert. Das erleichtert den Transfer.

Schüler:innenlabore spielen in Ihrem Projekt eine zentrale Rolle. Was sind Schüler:innenlabore?

Matthias Wilde: Die Schüler:innenlabore – von den insgesamt acht Schüler:innenlaboren des Projekts sind die sieben sogenannte teutolabs hier in Bielefeld angesiedelt – dienen schon seit mehr als 20 Jahren als Mitmach- und Experimentierlabore der Förderung von Motivation und Interesse von Schüler:innen in den MINT-Fächern. Jährlich besuchen mehr als 25.000 Schüler:innen die teutolabs, in denen sie sich ausprobieren können. Die Vernetzung zwischen den Schulen und den Schüler:innenlaboren in der Region ist sehr intensiv. Die Schüler:innenlabore sind immer ausgebucht.

Stefanie Schwedler: Schüler:innenlabore sind außerschulische Lernorte, die fachnahe authentische Settings bieten und von den Lehrkräften für ihre Klasse stundenweise gebucht werden können. Das teutolab Chemie – das als ältestes von allen im Jahr 2000 von Prof. Dr. Katharina Kohse‐Höinghaus gegründet wurde – steht Schulklassen an drei Tagen in der Woche zur Verfügung. Alle teutolabs arbeiten eng zusammen.

 

„Jährlich besuchen mehr als 25.000 Schüler:innen die teutolabs, in denen sie sich ausprobieren können. Die Vernetzung zwischen den Schulen und den Schüler:innenlaboren in der Region ist sehr intensiv.“

Matthias Wilde

Wie kam der Gedanke auf, die Schüler:innenlabore für die Lehrerfortbildungen zu nutzen?

Stefanie Schwedler: Wir arbeiten mit den Schüler:innenlaboren schon länger auch in der Lehramtsausbildung zusammen. In der berufsfeldbezogenen Praxisstudie kommen unsere Studierende dann in die Schüler:innenlabore, bringen ihr digitales Know-how ein und sammeln zugleich Unterrichtserfahrung in einem geschützten Lernraum. Als wir überlegt haben, die Schüler:innenlabore in die Lehrkräftefortbildung einzubeziehen, hat insbesondere der Aspekt der Motivation und der Entwicklung von Interessen eine Rolle gespielt.

Matthias Wilde: In einer ganzen Reihe von Schüler:innenlaboren fanden auch immer schon Lehrkräftefortbildungen statt, insbesondere in der Coronazeit wurden in den Schüler:innenlaboren digitale Formate für den Unterricht entwickelt. Einige von unseren Teilprojekten konnten deshalb auf Vieles zurückgreifen, was in dieser Zeit entstanden ist. Andere arbeiten ganz neu mit den Tools.

Wie werden die Lehrerfortbildungen in den Schüler:innenlaboren entwickelt?

Stefanie Schwedler: Wir haben nicht nur einen Ansatz, sondern probieren verschiedene Möglichkeiten aus und untersuchen, wo die Vor- und Nachteile liegen und welche Gelingensbedingungen jeweils vorliegen. In meinem Projekt entwickeln die Lehrkräfte zunächst eigene Settings und probieren diese anschließend mit ihren Schüler:innen im Schüler:innenlabor aus. Es gibt aber auch Projekte, in denen die Lehrkräfte gemeinsam mit ihren Schüler:innen im Schüler:innenlabor schon vorhandene Best-Practice-Beispiele nutzen und darauf aufbauend Settings für den eigenen Unterricht erstellen. In wieder anderen Projekten lernen die Lehrkräfte im Schüler:innenlabor die Best-Practice-Beispiele überhaupt erst kennen. Entscheidend ist immer, dass wir mit oder an Best-Practice-Beispielen arbeiten und dann die digitalen Tools mit den Schüler:innen im Schüler:innenlabor oder in der Schule ausprobieren.

Das Projekt verläuft in drei Ebenen. Können Sie das Vorgehen und die Inhalte der einzelnen Ebenen erläutern?

Matthias Wilde: Die Ebene 1 ist die Schüler:innenlaborebene. Lehrkräfte, Leiter:innen der Schüler:innenlabore und die jeweiligen fachdidaktischen Forscher:innen befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten der Lernwirksamkeit der Lehrerfortbildungen. In der Ebene 2 untersuchen wir, wie sich Selbstwirksamkeit, Motivation und Interesse der Lehrkräfte in Bezug auf digitale Formate durch die Lehrerfortbildung verändern. Ein fächerübergreifendes Projekt befasst sich mit selbstreguliertem Lernen und untersucht erste Ergebnisse aus den Schüler:innenlaboren, eine andere Gruppe setzt sich mit Qualitätssicherungsmaßnahmen auseinander und versucht diese im Prozess zu erfassen. Da sich Ebene 2 mit den Gelingensbedingungen auseinandersetzt, finden regelmäßige Austausche zwischen Ebene 1 und 2 statt. Diese dienen dazu, die Entwicklungs- und iterativen Optimierungsprozesse, die in der Ebene 1 passieren, in der Ebene 2 zu dokumentieren. Die dritte Ebene befasst sich mit systemischen Fragen zu den Lehrkräftefortbildungen in den Schüler:innenlaboren, zum Beispiel welche Hard- und Software geeignet ist oder welche Angebote den Lernerfolg der Lehrkräfte und der Schüler:innen fördern bzw. hemmen. Es wird auch nach ISO-zertifizierten Standards für Lehrerfortbildungen geforscht und ein Musterqualitätshandbuch für Lehrerfortbildungen erstellt.

Stefanie Schwedler: Ein mediendidaktisches Projekt beschäftigt sich auch damit, was für eine Kultur der Digitalität sich insgesamt in dem Projekt entwickelt.

In welcher Phase des Projekts befinden Sie sich zurzeit – Entwicklung, Erprobung oder Evaluation der Fortbildungen?

Matthias Wilde: Wir haben den kompletten Zyklus schon einmal durchlaufen. Die Fortbildungen haben bis auf wenige Ausnahmen alle einmal stattgefunden, auch die meisten Evaluierungen sind abgeschlossen. Wir befinden uns jetzt in der ersten Auswertungsphase, teilweise auch in der ersten Optimierungsphase, um den zweiten Durchgang vorzubereiten. Wir werden alle Lehrkräftefortbildungen mindestens noch ein zweites Mal durchführen, bevor wir einen Endzustand für das Projekt erreicht haben, auf den wir unsere Abschlusspublikationen stützen werden. Außerdem haben wir bereits eine erste gemeinsame Publikation eingereicht, mit der wir die Projektidee in einem OER-Format über unsere Zeitschrift PraxisForschungLehrer:innenBildung zugänglich machen. Hier (oder auch in der Zeitschrift Die Materialwerkstatt) wollen wir auch weitere einzelne Fortbildungselemente der Lehrkräftefortbildungen online zur Verfügung stellen.

Wie werden die Fortbildungen nach Projektende den Lehrkräften zur Verfügung gestellt?

Stefanie Schwedler: Die Fortbildungen werden derzeit bei uns in den Schüler:innenlaboren angeboten, einzelne Fortbildungen auch direkt an den Schulen. Die Lehrkräfte können sich auf unserem Portal dafür anmelden, müssen von den Schulleitungen vorher aber das Einverständnis für ihre Teilnahme einholen. Eventuell werden einige Angebote auch über das Projektende hinaus bestehen bleiben, das ist noch nicht ganz klar.

Matthias Wilde: Über unser Lehrkräftefortbildungsprogramm BiConnected, das im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung eingerichtet worden ist, werden alle Fortbildungen beworben und organisiert. Jedes Semester entsteht ein ausführliches Programm für Lehrerfortbildungen, das von der Bielefeld School of Education koordiniert wird. Zudem hosten wir an der Universität Bielefeld neben den bereits genannten Zeitschriften eine Reihe weiterer OER-Journale (BieJournals) und das Bielefelder Portal zur Bildung von Lehrkräften (PortaBle). Insbesondere das PortaBle wurde explizit zur Nachnutzung unterrichtsbezogenen Materials konzipiert.

Prof. Dr. Matthias Wilde

Prof. Dr. Matthias Wilde ist seit über 18 Jahren Professor für Biologiedidaktik an der Universität Bielefeld. Er ist Direktor der Bielefeld School of Education und Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Didaktik der Biologie. Seine Hauptinteressen beinhalten neben der Digitalisierung des Naturwissenschaftsunterrichts, außerschulisches Lernen, Motivations- und Interessensforschung.

Prof. Dr. Stefanie Schwedler

Prof. Dr. Stefanie Schwedler ist seit 2022 Professorin für Didaktik der Chemie an der Universität Bielefeld. Sie hat in Physikalischer Chemie promoviert und war als Gymnasiallehrkraft tätig, bevor sie in Didaktik der Chemie habilitierte. In der Forschung interessiert sie sich für das Lernen mit Simulationen, den Studienstart im Fach Chemie sowie die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden.

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Biografie

Fabian Rösch studierte in Jena und Chambéry Germanistische Literaturwissenschaft, Volkskunde/Kulturgeschichte, Mittellatein und Mittelalterliche Geschichte, worin er nach einem Magisterabschluss in Gießen promoviert hat. Nebenbei arbeitete er u. a. an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, in der Archäobotanik und der Pharmaindustrie. Ein Lehramtsstudium in Deutsch, Geschichte und Latein folgte in Frankfurt am Main. Das Referendariat absolvierte er an einer Thüringischen Gesamtschule. Er unterrichtete an einer Brandenburgischen Oberschule und einem Gymnasium mit MINT-Schwerpunkt. Seit Juli 2023 ist Fabian Rösch in der lernen:digital Transferstelle für die Vernetzung von Multiplikator:innen zuständig.

 

Im Dialog mit …

Dr. Fabian Rösch

Mitarbeit Handlungsfeld Transfer in der lernen:digital Transferstelle

An wen richtet sich das digitale Austauschformat Boxenstopp und was macht die Veranstaltungsreihe aus?

Boxenstopp etabliert eine dynamische Plattform, die speziell darauf ausgerichtet ist, den Austausch zwischen den Akteur:innen der dritten Phase der Lehrkräftebildung, der Fachdidaktik und der Bildungswissenschaft zu fördern. Das Hauptanliegen der Veranstaltungsreihe ist es, innovative Konzepte für Lehrkräftefortbildungen, die sich auf die digitale Transformation von Schule und Unterrichten konzentrieren, sichtbar zu machen und zu teilen. Das Format richtet sich daher explizit an Personen, die aktiv in der Lehrkräftefort- und -weiterbildung tätig sind, wie z. B. Fortbildner:innen. Darüber hinaus ist Boxenstopp auch für interessierte Mitarbeitende der Landesinstitute und Qualitätsagenturen gedacht.

Wie ist das Format aufgebaut und was erwartet die Teilnehmenden?

Boxenstopp ist ein 60-minütiges Online-Format mit einem Mix aus Input- und moderierten Austauschphasen. Es werden jeweils ein bis zwei digitalisierungsbezogene Fort- und Weiterbildungskonzepte vorgestellt, die anschließend in Hinblick auf eine mögliche länderspezifische Umsetzung in der Praxis diskutiert werden.

Die Teilnehmenden erwarten spannende Fort- und Weiterbildungskonzepte zu ganz unterschiedlichen fachlichen und überfachlichen Themen, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Schule und Unterricht stehen. Boxenstopp bietet einen Raum für Feedback und Diskussionen zu Fort- und Weiterbildungskonzepten und fördert eine Vernetzung aller beteiligten Akteur:innen.

Mit welchen Themen und Konzepten wird sich Boxenstopp befassen?

Wir werden eine Vielfalt an fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Fort- und Weiterbildungskonzepten präsentieren, die einen Beitrag zur digitalen Transformation von Schule und Unterricht leisten können. Die präsentierten Konzepte decken verschiedene fachliche und überfachliche Bereiche zur Lehrkräftefort- und -weiterbildung ab.

Bei unserer ersten Veranstaltung am 18. April 2024 wird Prof. Dr. Heidrun Heinke von der RWTH Aachen ein modulares Fortbildungskonzept für den Einsatz der App phyphox für Smartphone-gestützte Experimente in der Schule vorstellen.

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Länderübergreifende Zusammenarbeit in der Bildung – mit diesem Ziel vor Augen betritt der Kompetenzverbund lernen:digital regelrecht „Neuland“. Doch am Ende könnten sich neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen Wissenschaft und Praxis etabliert haben, hofft Birgit Pikowsky, Direktorin des Pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz. Die Landesinstitute für Lehrkräftebildung sind dabei ein entscheidender Faktor, denn sie vermitteln Praxiswissen an die Wissenschaft, Forschungsergebnisse in die Praxis und kooperieren auch untereinander. Zusammen mit Dirk Richter, Wissenschaftliche Leitung der lernen:digital Transferstelle, werden im Interview aber auch die Aufgaben der Transferstelle herausgestellt. Nicht zuletzt berichten die beiden, wozu sich lernen:digital nach Ablauf der Projektzeit im Idealfall entwickeln könnte.

Interview: Beate Berrischen, Agentur für Bildungsjournalismus

„Sie ist eben doch möglich, die länderübergreifende Zusammenarbeit in der Bildung“, so schreiben Sie, Frau Pikowsky, in einem Artikel auf Website der Kultusministerkonferenz (KMK). Sind das Vorschusslorbeeren für den Kompetenzverbund lernen:digital?

Birgit Pikowsky: Nein, der Artikel bezog sich auf etwas anderes. Aber ich würde es als Wunsch und Erwartung an lernen:digital formulieren. Und dieser Satz zeigt auch eine Haltung, die ich zum Ausdruck bringen möchte, wie wichtig die länderübergreifende Zusammenarbeit und wie wichtig auch die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis ist.

Können Sie kurz schildern, wie diese länderübergreifende Zusammenarbeit bei lernen:digital aussieht und dazu auch kurz die Struktur, Aufgaben und Ziele des Projekts erläutern?

Dirk Richter: Der Kompetenzverbund lernen:digital ist ein Projekt, das aus vier Kompetenzzentren besteht, die jeweils einen bestimmten Fachbereich abdecken. Innerhalb jedes Kompetenzzentrums existieren zwischen vier und acht Projektverbünde, die wiederum aus verschiedenen Universitäten bestehen, die in unterschiedlichen Bundesländern verortet sind. Insgesamt gibt es 24 dieser Projektverbünde und mehr als 200 Teilprojekte. Jeder Projektverbund hat das Ziel, Fortbildungskonzepte zu entwickeln. Diese sollen über die Transferstelle den Weg in die Praxis finden und bundesweit die Lehrkräfte aus den entsprechenden Fächern beim Einsatz digitaler Medien unterstützen und die digitale Bildung in Schulen fördern. Die Landesinstitute aller Länder spielen im gesamten Prozess eine besondere Rolle: Sie sind bei den allermeisten Projektverbünden ein zentraler Partner und im Idealfall bereits bei der Entwicklung der Fortbildungskonzepte involviert. Frau Pikowsky kann sicher bestätigen, dass viele Projektverbünde an ihr Institut herantreten und Zusammenarbeit wünschen. Aber auch bezüglich des Transfers sind wir im engen Austausch und die Landesinstitute überlegen mit uns, über welche Strukturen wir die Ergebnisse gut in die Schulen transferieren können.

Birgit Pikowsky: Sie sehen, die Landesinstitute können da, wo sie frühzeitig eingebunden sind, – was ich für zentral bedeutsam halte – einen wichtigen Beitrag leisten. Wir können natürlich nicht als ein Institut bei 200 Projekten mitarbeiten. Aber wo es möglich ist, beteiligen wir uns, indem wir beispielsweise den Bedarf in Schulen ermitteln und Erfahrungen in der Lehrkräftefortbildung sowie in der Arbeit mit der Bildungsadministration einbringen. Zudem agieren wir auch als Vermittler zwischen Wissenschaft und Schulen. Wir überlegen gemeinsam, was Schulen brauchen, wie die Angebote gestaltet werden müssen, wie die Projekte ihren Weg in die Schulen finden und wie Lehrkräfte angesprochen werden können. Wo möglich, geben wir auch Rückmeldungen zu Entwicklungsschritten und binden uns als kritische Partner oder „reflektierendes Team“ ein. Es geht darum, dass mehr entsteht als nur ein Markt der Möglichkeiten. Es sollen auch Leitlinien eingeführt und Qualitätskriterien formuliert werden – und da habe ich hohe Erwartungen, insbesondere an die Transferstelle.

Welche Aufgaben hat die Transferstelle denn ganz konkret?

Dirk Richter: Die Transferstelle hat vielfältige Funktionen im großen Verbund. Einerseits hat sie die Aufgabe, Vernetzung herzustellen – sowohl innerhalb der Kompetenzzentren, also zwischen den Projektverbünden, als auch zwischen den vier Kompetenzzentren und nicht zuletzt zur wissenschaftlichen Community, die außerhalb der Kompetenzzentren tätig ist. Zusätzlich hat die Transferstelle die Aufgabe, Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Das heißt, sie soll die gewonnenen Erkenntnisse in der Öffentlichkeit, insbesondere aber in der Schulöffentlichkeit bekannt machen. Dazu nutzen wir eine Vielzahl von praxisnahen Formaten wie Podcasts, Videos, Konferenzen, Workshops und Community Calls. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Durchführung eigener Forschung beispielsweise zu den Fragen, wie Multiplikator:innen qualifiziert werden oder was gelingende Konzepte zur Qualifizierung sind. Und schließlich ist die Vorbereitung des Transfers – also die Übermittlung der gewonnenen Erkenntnisse und Projekte – ein entscheidender Punkt. Dazu gehört die intensive Zusammenarbeit mit den Landesinstituten, die Nutzung einer Plattform, wo die entwickelten Konzepte eingestellt werden, und die Qualifikation der Multiplikator:innen.

„Die Landesinstitute aller Länder spielen im gesamten Prozess eine besondere Rolle: Sie sind bei den allermeisten Projektverbünden ein zentraler Partner und im Idealfall bereits bei der Entwicklung der Fortbildungskonzepte involviert.“

Dirk Richter

Sehen Sie es denn auch als Ihre Aufgabe, die von Frau Pikowsky eingeforderten Leitlinien einzuziehen?

Dirk Richter: Absolut. Es geht darum, sicherzustellen, dass kein bunter Mix aus verschiedenen Produkten entsteht, sondern dass die Produkte qualitätsgesichert sind, nach bestimmten Vorgaben entwickelt wurden und in die bestehenden Systeme der Länder übertragbar sind. Ein Beispiel: Es existiert bereits eine Plattform namens ComPleTT, eine Moodle-Plattform, über die sich die Länder austauschen können und auf der entwickelte Fortbildungskonzepte auch länderübergreifend weitergeleitet werden können. Unsere Aufgabe besteht nun darin, die Projektverbünde und Kompetenzzentren anzuleiten, ihre Konzepte so vorzubereiten, dass sie optimal von den Landesinstituten über diese Plattform genutzt werden können, qualitätsvoll sind und bestimmten einheitlichen Vorgaben entsprechen. Auch was die angesprochene Qualifizierung der Multiplikator:innen der Landesinstitute betrifft, möchten wir keine strikten Vorgaben machen. Wir möchten vielmehr aus den Erkenntnissen unserer Forschung Hinweise ableiten, was erfolgreiche Möglichkeiten sind, unser Wissen bereitstellen und beraten. Die Durchführung von Fortbildungen ist das Kerngeschäft der Landesinstitute und hier sehen wir eine klare Aufgabenteilung.

Besteht dann nicht die Gefahr, dass die Institute und Multiplikator:innen die Konzepte nach eigenem „Gutdünken“ umsetzen?

Birgit Pikowsky: Ich glaube, entscheidend ist der Punkt, dass wir nichts Fertiges aus der Wissenschaft erhalten, was wir dann in die Praxis übertragen sollen, ohne dass die Praxis und die Strukturen vor Ort vorher involviert waren. So funktioniert Transfer nicht. Wissenschaft hat die Aufgabe, den Transfer gemeinsam zu gestalten und zu evaluieren. Es ist also nicht so, dass jeder tun kann, was er will. Wir orientieren uns gemeinsam an den Qualitätskriterien.

Dirk Richter: Ich würde das gerne um folgenden Punkt ergänzen: Im Verlauf der Projektlaufzeit planen wir Tagungen und Vernetzungstreffen, auf denen die Produkte vorgestellt werden und an denen auch die Landesinstitute teilnehmen. Und dort soll schon gemeinsam überlegt werden: „Wie schaffen wir es, dass ein Konzept gut in die Struktur eines Landes überführt und dort umgesetzt werden kann?“
Auch die Fortbildungskurse, die als Selbstlernkurse auf der genannten Moodle-Plattform eingestellt werden, sind keine Konzepte, die in gleicher Form in jedem Land eingebracht werden müssen. Sie dienen als Angebote, die an die eigenen Bedürfnisse des Landes angepasst werden können. Das macht das Projekt so interessant und herausfordernd, da jedes Land eigene Strukturen und Vorgaben für die Umsetzung von Fortbildungen hat. Es kann also nicht einfach ein vorgegebenes Konzept in jedem Land auf die gleiche Weise umgesetzt werden, sondern es bedarf Anpassungen an die länderspezifischen Rahmenbedingungen.

Birgit Pikowsky: Ich gebe mal ein konkretes Beispiel, um das Ganze etwas greifbarer zu machen. Im nächsten Halbjahr planen wir mit dem Verbund MINT eine Tagung. Die Forschungsprojekte aus dem MINT-Bereich können dort vorgestellt werden, und Lehrkräfte sowie Multiplikator:innen könnten Rückmeldungen geben oder Interesse an einer Zusammenarbeit zeigen. So entstehen konkrete Kooperationen, noch in der Entwicklung, die über das Zufällige, „Ich habe mal von irgendeinem Projekt gehört“, hinausgehen und systematischer werden.

Das Projekt ist auf zweieinhalb beziehungsweise im Fall der Transferstelle auf dreieinhalb Jahre angelegt. Was wünschen Sie sich, was am Ende erreicht sein soll?

Birgit Pikowsky: Durch die kurze Laufzeit stößt man schnell an Grenzen. Ich habe dennoch die Erwartung, dass auch nach Ende des Projekts eine Weiterarbeit mit den entwickelten Konzepten stattfindet. Ich wünsche mir außerdem, dass in diesen zweieinhalb Jahren Prozesse gestartet und Strukturen aufgebaut werden, die nachhaltig wirken. Es geht darum, dass Kooperationen entstehen und eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis und auch zwischen Bund und Ländern etabliert wird. Lehrkräftebildung ist so wichtig und zentral, dass sie nur gemeinsam erfolgreich gestaltet werden kann.

Dirk Richter: Ich kann das nur unterstreichen. In der verbleibenden Projektzeit werden wir nicht alle Lehrkräfte qualifizieren können und die Schulen fit für digitalen Unterricht machen. Aber ich hoffe, dass wir Strukturen haben werden, in denen alle Beteiligten gut zusammenarbeiten können. Ich hoffe auch, dass wir bestehende Plattformen weiter ausbauen und Routinen schaffen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in Schulen integriert werden können. Und nicht zuletzt ist meine große Hoffnung, dass wir eine Vielzahl von Konzepten und Materialien entwickeln, die von den Landesinstituten genutzt werden können.

„Ich wünsche mir, dass in diesen zweieinhalb Jahren Prozesse gestartet und Strukturen aufgebaut werden, die nachhaltig wirken. Es geht darum, dass Kooperationen entstehen und eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis und auch zwischen Bund und Ländern etabliert wird.“

Birgit Pikowsky

Was sind denn die größten Hürden, die diesen Zielen im Wege stehen?

Dirk Richter: Eine Hürde besteht darin, dass es keine länderübergreifende Lernplattform gibt, in die sich jede Lehrkraft einloggen kann. Das heißt, in jedem Land müssen die Konzepte von der angesprochenen länderübergreifenden Plattform auf die jeweilige Landesplattform, auf die die Lehrkräfte Zugriff haben, gehoben werden. Wir arbeiten also im Prinzip über ein Mittlersystem und die Transferstelle kann nicht sicherstellen, dass alle Lehrkräfte erreicht werden. Eine weitere Hürde liegt in der fehlenden Finanzierung der Landesinstitute. Das heißt, sie erhalten für ihre Mitarbeit bei diesem Projekt kein zusätzliches Budget von Bund oder Land und können dementsprechend nur so weit mitwirken, wie es das zur Verfügung stehende Budget zulässt. Eine zusätzliche Unterstützung mit entsprechender Personalkostenübernahme wäre wünschenswert. Und eine kleine Hürde sind natürlich die unterschiedlichen Strukturen und Anforderungen der Länder. Die Transferstelle muss gut kommunizieren und verstehen, welche spezifischen Bedürfnisse und Besonderheiten in den einzelnen Ländern existieren, um diese an die Verbünde zurückzumelden.

Birgit Pikowsky: Auch die Komplexität des Projekts ist eine Hürde. Mit 200 Projekten und einer Vielzahl beteiligter Universitäten ist es eine Herausforderung, die Zuständigkeiten klar zu definieren und die Projekte zu steuern und zu strukturieren.

Dirk Richter: Und auch die fehlende Anschlussfinanzierung ist eine Hürde. Der Bund investiert viel Geld, aber es ist aktuell noch unklar, wie es nach den zweieinhalb Jahren weitergehen wird. Die Digitalisierung wird aber nach dieser Zeit nicht enden, die Aufgabe bleibt also bestehen, und wir sollten die Erkenntnisse und Strukturen nutzen, um daran weiterzuarbeiten. Aber wenn wir nicht wissen, in welchen Strukturen es weitergeht, dann ist es natürlich auch schwer, den Prozess weiterzudenken. Die Klärung der Anschlussfinanzierung ist daher eine drängende Aufgabe.

Was würden Sie sich denn wünschen, wie es nach zweieinhalb Jahren weitergehen soll?

Dirk Richter: Aus meiner Sicht bräuchten wir eine deutlich übersichtlichere Struktur, keine regional verteilten Projektverbünde, sondern im besten Fall regionale Kompetenzzentren, die bundeslandübergreifend tätig sind. Diese Zentren könnten auf Basis der bis dahin entwickelten, gut evaluierten Konzepte Dinge flächendeckend umsetzen. Momentan haben wir viele einzelne Fortbildungskonzepte, aber nicht alle werden es schaffen, flächendeckend umgesetzt zu werden. Meine Vorstellung ist, dass man sich auf wenige, aber wichtige Projekte konzentriert, die dann die Ressourcen haben, um in der Fläche realisiert zu werden. Man könnte Multiplikator:innen in bestimmten Themenbereichen schulen, und diese geschulten Multiplikator:innen könnten dann die Fortbildungen in den jeweiligen Ländern durchführen. Dies könnte dann auch Evaluationen beinhalten, um die Wirkung eines einheitlichen Konzepts über die Länder hinweg zu messen.

Birgit Pikowsky: Diesen Wunsch nach regionalen Kompetenzzentren, lieber weniger, dafür gebündelt, teile ich. Die Zentren sollten fach- und themenbezogene Anlaufstellen für Wissenschaft und Landesinstitute sein und Expertise aus allen Bereichen vorhalten. So könnten wir gemeinsam Qualitätssicherung und -entwicklung vorantreiben. Die Landesinstitute könnten sich dann mit diesen regionalen Kompetenzzentren vernetzen und die Konzepte erfolgreich in die Fläche bringen. Das wäre meine Idealvorstellung.

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Silke Müller, Schulleiterin und Mitglied im Begleitgremiums des Kompetenzverbund lernen:digital, setzt große Hoffnungen in das Verbundvorhaben. Es könne das deutsche Bildungssystem aus der Ruinenverwaltung führen, hofft sie. Auch Katharina Scheiter, Professorin für Digitale Bildung an der Universität Potsdam und Leiterin der lernen:digital Transferstelle, hat große Ziele: Zwar werde man innerhalb der Projektlaufzeit nicht das Bildungssystem revolutionieren, doch es könnte eine Blaupause für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Bildungsverwaltung und Schulpraxis, Bund und Ländern entstehen. Im Interview erklären beide, warum sie diese großen Hoffnungen hegen, welche Hürden es zu überwinden gilt, wie der Kompetenzverbund – einfach erklärt – aufgebaut ist und welche Auswirkungen es auch auf die Lehrkräfteausbildung hat.

Zum Start des Kompetenzverbund lernen:digital haben Sie, Frau Müller, das deutsche Bildungssystem als Ruinenverwaltung bezeichnet und erklärt, lernen:digital habe das Potenzial, dies zu ändern. Bei der Ruinenverwaltung wird kaum jemand aus dem Bildungssystem widersprechen, aber warum soll ein Projekt zu digital gestütztem Lernen und Unterrichten ein „Gamechanger“ sein?

Silke Müller: Dafür sprechen mehrere Punkte. Zum einen habe ich nicht nur von der charmanten Ruinenverwaltung gesprochen, sondern auch von der heiligen Kuh des Föderalismus, die wir wahnsinnig gerne vor uns hertreiben und an die wir nicht rangehen: Es gab schon viele tolle Einzelprojekte. Aber was gut in Niedersachsen war, kam in Bayern nicht an. Bei diesem Projekt wird nun erstmals bundesweit zusammengearbeitet. Hinzu kommt, dass es bei lernen:digital erstmals eine Vernetzung von Wissenschaft und Praxis gibt. Bisher wurde die Kompetenzvermittlung, wie Lehrkräfte durch digitale Medien das Lehren und Lernen verbessern können, nur sehr stiefmütterlich behandelt. Nun werden endlich von der Wissenschaft Strategien entwickelt, welche digitalen Kompetenzen Lehrkräfte in verschiedenen Fächern benötigen. Die Lehrkräfte bekommen etwas, das Hand und Fuß hat, wo sie sich drauf verlassen können, dass es sie in ihrer Arbeit unterstützt

Katharina Scheiter: Das ist ein weiterer entscheidender Punkt: Das Thema Digitalität wird bei lernen:digital anders kommuniziert. Es geht nicht um ein weiteres Add-on, mit dem sich Lehrkräfte auseinandersetzen müssen. Sondern im Mittelpunkt stehen die Fragen, wie guter Unterricht gestaltet wird, welche Ziele wir im Unterricht haben, welche Schwierigkeiten es gibt, diese Ziele zu erreichen und wie digitale Medien dabei helfen können, diese Schwierigkeiten zu beseitigen.

Silke Müller: Genau darum ist es bisher nämlich nicht gegangen. Plötzlich hieß es: „Technik muss in die Schule“. Aber der Ansatz war nicht: Wie kann uns Technik bei den komplexen Herausforderungen im Bildungssystem helfen? Das klingt sehr pathetisch, aber schlussendlich geht es bei der Bildung darum, unser eigenes friedvolles und demokratisches Leben zu sichern. Dazu müssen wir eine neue Generation fit machen für die Herausforderungen der Zukunft, die schlichtweg nicht mehr mit dem zu vergleichen sind, was vor zehn Jahren war. Die Kompetenzen, die unsere Kinder dafür bräuchten, geben wir ihnen aktuell jedoch nicht mit. Aber mit diesem Projekt können wir den Anstoß geben, Bildung zu revolutionieren oder zumindest dahingehend zu verbessern.

Schaut man sich den Aufbau und die Konzeption von lernen:digital an, lässt sich diese Strahlkraft noch nicht erkennen. Da gibt es Projektverbünde, Kompetenzzentren, Transferstelle, Landesinstitute – man behält kaum den Überblick und das schreckt eher ab. Daher die Bitte: Erklären Sie das Projekt einmal so einfach wie möglich.

Silke Müller: In Vorbereitung auf das Interview habe ich dazu mal ChatGPT genutzt und der KI gesagt: „Explain me as if I´m five lernen:digital“. Heraus kam – gekürzt – Folgendes: „Der Kompetenzverbund lernen:digital ist wie eine Gruppe von klugen Menschen, die zusammenarbeiten, um Schulen und Lehrerinnen und Lehrern dabei zu helfen, besser mit digitalen Dingen umzugehen. Die klugen Leute forschen und entwickeln Ideen in verschiedenen Bereichen wie Mathe, Sprache, Musik und Schulentwicklung. In Projekten erstellen sie Schulungsunterlagen, Materialien und Konzepte, wie man den Unterricht besser machen kann, wenn man digitale Technologien verwendet. Eine besondere Stelle, die Transferstelle, arbeitet daran, die Ideen noch besser zu machen, und hilft dabei, sie in ganz Deutschland zu verbreiten.”

Katharina Scheiter: Ich würde das um Folgendes ergänzen: Wir müssen alle lernen, mit digitalen Medien zu arbeiten. Dabei möchte lernen: digital die Lehrkräfte unterstützen, damit sie mit digitalen Medien besser lehren können. Damit wir das für alle verschiedenen Fächer gewährleisten können, brauchen wir fachliche Kompetenz. Denn natürlich setzt man digitale Medien im Chemieunterricht ganz anders ein als im Fach Musik oder Geschichte. Deswegen haben wir eine Vielzahl von verschiedenen Projekten, die diesen fachlichen Bezug herstellen und die in drei Kompetenzzentren zusammengefasst sind. Wenn wir die Lehrkräfte fit machen, setzt das aber auch eine Änderung der Organisation Schule voraus. Das ist die Aufgabe des vierten Kompetenzzentrums. Und die Transferstelle schließlich soll dafür Sorge tragen, dass etwas, was in einem Projektverbund in Niedersachsen entwickelt wird, auch in die 15 anderen Bundesländer gelangt.

Die Idee ist dabei aber nicht, dass jedes Einzelprojekt für alle 800.000 Lehrkräfte in Deutschland angeboten wird, sondern dass wir eine Änderung auf der systemischen Ebene hinbekommen: Die Erkenntnisse aus den Projekten sollen in den Landesinstituten verankert und von deren Fort- und Weiterbildenden aufgegriffen und an die jeweiligen Fachlehrkräfte weitergegeben werden.

Wenn also ein Projektverbund aus dem Kompetenzzentrum MINT eine Fortbildung für Physiklehrkräfte entwickelt hat, wie geht es dann weiter?

Katharina Scheiter: Da muss man einen Schritt vorher beginnen: Die klugen Leute, wie ChatGPT sie genannt hat, setzen sich schon bei der Entwicklung der Fortbildung mit Vertreter:innen aus der Praxis zusammen, damit auch etwas entwickelt wird, das zur Unterrichtsrealität passt und das wirklich nützlich ist. Im nächsten Schritt wird das Ganze dokumentiert und aufbereitet und dazu gehen wir relativ einmalig vor: Normalerweise ist es gerade bei mehreren Projektverbünden so, dass sie eine eigene Plattform entwickeln, auf der die Inhalte eingestellt werden. Wir haben uns von vornherein dafür entschieden, die vorhandenen Transferwege zu nutzen. Das heißt, wir arbeiten mit den Landesinstituten zusammen. Dort gibt es eine digitale Plattform, auf die alle Landesinstitute Zugriff haben, und dort wird alles aus unseren Projekten eingestellt und somit allen Ländern zugänglich gemacht. Das heißt, wir schaffen keine Parallelstruktur, die wieder zusammenfällt, wenn die Projektförderung endet, sondern wir gehen in das System rein.

„Im Mittelpunkt stehen die Fragen, wie guter Unterricht gestaltet wird, welche Ziele wir im Unterricht haben, welche Schwierigkeiten es gibt, diese Ziele zu erreichen und wie digitale Medien dabei helfen können, diese Schwierigkeiten zu beseitigen.“

Katharina Scheiter

Gehören Sie, Frau Müller, auch zu diesen Vertreter:innen aus der Praxis, die darauf achten, dass die Projekte auch in der Praxis realisierbar sind?

Silke Müller: Nein, ich sehe meine Aufgabe eher in der Rolle des kritischen Freundes, der vor allem danach schaut, ob lernen:digital auch wirklich bei den Lehrkräften ankommt. Denn damit das Projekt wirksam ist und funktioniert, muss eine große Masse von Leuten aus dem Bildungssystem davon erfahren und überzeugt sein: „Das ist super, das brauchen wir“. Bis jetzt wissen aber viele Schulen noch nichts von lernen:digital und welch großen Schatz wir damit im Bildungssystem heben können. Wenn das Thema aber bei den Landesinstituten verhaftet und nicht zu den Lehrkräften heruntergebrochen wird, dann könnte das Projekt scheitern.
Um das zu verhindern, sehe ich es als Aufgabe aller Kultusministerien, dass sie alle Schulleitungen informieren und sie auffordern, diese Initiative den Lehrkräften bekannt zu machen. Bisher habe ich aber noch von keinem solchen Aufruf gehört.

Sind wir damit bei der heiligen Kuh des Föderalismus? Sprich: Sie haben Sorge, dass die Länder die Konzepte nicht von den Landesinstituten aktiv zu den Lehrkräften bringen, weil es ein Bundesprojekt ist, an dessen Planung und Finanzierung die Länder nicht beteiligt waren und sind?

Katharina Scheiter: Es gab in jedem Fall eine große Anfangsskepsis gegenüber der Art und Weise, wie das Projekt aufgesetzt ist. Aber es setzt sich immer mehr die Haltung durch, dass das Projekt nun mal so gestrickt ist, wie es ist und wir versuchen nun, das Beste daraus zu machen. Kurz vor Weihnachten haben wir beispielsweise die Zusage erhalten, dass die Projektverbünde direkt auf der Plattform, die eigentlich der Kultuministerkonferenz gehört, arbeiten können. Das war ein Angebot aus den Ländern heraus, und nichts, wonach wir gefragt haben. Woran man merkt, dass sich die Stimmung ändert und der Wille da ist, dieses Projekt zu nutzen.

Silke Müller: Mit Blick auf die PISA-Ergebnisse haben wir auch keine Zeit mehr für solche Befindlichkeiten. Der Grund, warum wir Bildung betreiben, ist, Kinder und Jugendliche fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen. Das muss im Vordergrund stehen. Dann würde man auch sehen, dass lernen:digital ein Projekt ist, das sich wirklich bemüht, bundesweit Lehrkräfte fit zu machen, damit sie guten Unterricht in einer Kultur der Digitalität machen können. Und dann würden alle Länder sich schnell dran machen, den Weg freizumachen, und das Projekt könnte zum Gamechanger werden. Doch dieser große Ruck fehlt. Stattdessen geht es um Animositäten. Da ist jemand sauer, dass der Bund das Projekt ins Leben gerufen hat, schließlich ist das sein Hoheitsgebiet. Und obwohl jeder sieht, was für eine Katastrophe der Bildungsföderalismus damit für die Weiterentwicklung des Schulsystems darstellt, wird darüber nicht diskutiert.

Katharina Scheiter: Was wir auf jeden Fall brauchen, ist eine Diskussion, an welcher Stelle länderspezifische Betrachtungen sinnvoll sind. Die Frage, wie Mathematik in der siebten Klasse besser vermittelt werden kann, die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien und Konzepten, digitalen Angeboten – das ist in Bremen nicht anders als in Bayern. Erst die Frage der Implementierung ist etwas, das an die Gegebenheiten der Bundesländer angepasst werden muss. Das zeigt, dass wir unterscheiden sollten, an welchen Stellen Föderalismus sinnvoll und notwendig ist und an welchen Stellen länderübergreifendes Arbeiten im Vordergrund stehen muss. Und das versuchen wir mit diesem Projekt ein bisschen anzuregen.

Das klingt, als würden Sie den Föderalismus stellenweise ausschalten wollen, ohne aber die Systemdebatte zu führen.

Katharina Scheiter: Man muss sich eigentlich nur überlegen, was man in einer Projektlaufzeit von drei Jahren realistisch erreichen kann. Die Projektverbünde hatten mich beispielsweise gebeten, ein einheitliches Genehmigungsverfahren für die Durchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen an Schulen anzuregen. Bisher gibt es nämlich 16 verschiedene Verfahren. Das habe ich in einem Gespräch mit den Ländervertreter:innen angesprochen. Aber zurück kam die einhellige Bitte, dass ich mich auf dieser Ebene nicht verkämpfen möge. Denn das sind teilweise Regelungen, die in den Landesgesetzen verankert sind. Und das zu ändern, würde enorm viel Zeit und Energie verschlingen. Wir nehmen diese Gegebenheiten deswegen jetzt so hin, versuchen aber im Gespräch mit den Ländern pragmatische Lösungen zu finden, um gemeinsam das Beste aus diesem Projekt zu machen.

Silke Müller

„Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt und dieses Projekt könnte der erste Schritt zu einer systematischen, strukturierten Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis, Bildungsverwaltung und Bildungspolitik sein, die es den Schulen ermöglicht, das Lehren mithilfe digitaler Medien zu verbessern und die Kinder und Jugendlichen fit für die Zukunft zu machen.“

Silke Müller

Was sieht denn Ihr Zeitplan vor, wann werden voraussichtlich die ersten Konzepte fertig sein und an die Landesinstitute weitergereicht?

Katharina Scheiter: Wir gehen davon aus, dass wir im Frühsommer die ersten dokumentierten Produkte auf der Plattform haben werden. Aktuell steht bei uns in der Transferstelle daher die Frage im Mittelpunkt, die Silke Müller vorhin ansprach: Wie wir es schaffen, dass diese Produkte dann auch in die Breite gebracht werden.

Sofern dies gelingt, wird dann auch evaluiert, ob ein Konzept funktioniert und angenommen wird?

Katharina Scheiter: Wir entwickeln in der Transferstelle Instrumente für die Evaluierung, die wir zentral zur Verfügung stellen werden. Dazu gehört unter anderem ein Instrument, mit dem teilnehmende Lehrkräfte die Fortbildungsqualität beurteilen können. Und wir entwickeln ein Testverfahren, mit dem wir die digitalisierungsbezogenen Kompetenzen von Lehrkräften messen wollen. Denn das ist ja sozusagen die Zielgröße: die Lehrkräfte in die Lage zu versetzen, mit digitalen Medien den Unterricht zu planen und durchzuführen. Wir können aber keine bundesweiten Evaluationsuntersuchungen machen und planen. Dazu wäre sehr viel Koordination notwendig und das ließe sich in der verbleibenden Zeit auch nicht verwirklichen.

Was ist denn das Beste, was das Projekt nach den drei Jahren nach Ihrer Vorstellung erreicht haben könnte?

Katharina Scheiter: Wir werden in den drei Jahren nicht die Welt revolutionieren. Aber mein Wunsch ist, dass wir an einzelnen Beispielen von entwickelten Fort- und Weiterbildungsangeboten eine Art Blaupause entwickeln, wie die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Bildungspraxis und Bildungsverwaltung dauerhaft gut gelingen kann. Dass wir also den Boden ebnen und Strukturen etablieren, die tragfähig sind für etwas Größeres, zu dem wir den Anstoß geben.

Silke Müller: Und da schließt sich dann der Kreis: Dann wäre es ein Gamechanger. Oder anders: Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt und dieses Projekt könnte der erste Schritt zu einer systematischen, strukturierten Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis, Bildungsverwaltung und Bildungspolitik sein, die es den Schulen ermöglicht, das Lehren mithilfe digitaler Medien zu verbessern und die Kinder und Jugendlichen fit für die Zukunft zu machen.

Lautet ein weiteres Ziel, dass diese Zusammenarbeit dann auch auf die Lehrerausbildung ausgedehnt wird?

Katharina Scheiter: Durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung ist in diesem Bereich bezüglich der Digitalisierung bereits etwas passiert. Allerdings wurde es nicht geschafft, dass das Thema digitale Bildung verpflichtender Bestandteil in der Lehrkräfteausbildung an allen Hochschulen geworden ist. Das ist ein Riesenproblem, das angegangen werden muss. Aber auch die 800.000 Lehrkräfte, die im System sind, haben einen wesentlichen Einfluss auf die Referendar:innen. „Jetzt vergiss mal alles, was du an der Uni gelernt hast. Wir erklären dir jetzt mal, wie die Praxis wirklich funktioniert“, das bekommen noch viele zu Beginn des Referendariats zu hören. Und wenn diese Praxis dann immer noch nach dem analogen Standard verläuft, kommen wir nie zu einem Unterricht in einer Kultur der Digitalität. Wenn wir es aber schaffen, die bestehenden Lehrkräfte zu einem solchen Unterricht zu befähigen, dann nehmen wir damit also auch einen positiven Einfluss auf die Ausbildung angehender Lehrkräfte.

Interview: Beate Berrischen, Agentur für Bildungsjournalismus

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Biografie

Judith Erlmann studierte Lehramt für die Sekundarstufen I und II mit den Fächern Deutsch, Geschichte und Katholische Theologie an der Universität Münster. Nach ihrem Referendariat absolvierte sie ein Volontariat in der Bildungsverlagsbranche und leitete danach in verschiedenen Verlagen das Produktmanagement und die Redaktion der Früh- und Schulpädagogik im Ressort Fachverlag & International. Zuletzt war sie als Chief Content Officer in verschiedenen EdTechs für den Auf- und Ausbau von Plattformen mit Unterrichtsmaterialien sowie Fort- und Weiterbildungsangeboten für Lehrkräfte und Schulen verantwortlich. Seit August 2023 ist Judith Erlmann im Kompetenzverbund lernen:digital als Broker:innen-Leitung für das Kompetenzzentrum Schulentwicklung tätig. 

Im Dialog mit …

Judith
Erlmann

Leitung Broker:innen Kompetenzzentrum Schulentwicklung

Was macht die Rolle der Broker:innen aus und woran arbeiten Sie mit Ihrem Team?

Ein essenzieller Bestandteil von lernen:digital sind unsere Projektverbünde, die in den einzelnen Kompetenzzentren organisiert sind. Die Ergebnisse und Transferprodukte dieser Projektverbünde, die sie zusammen mit Schulen und Landesinstituten entwickeln, sind erfolgsentscheidend für das Gesamtprojekt. Denn hier entstehen die Fortbildungen, Beratungskonzepte und Materialien, die später in der Praxis Anwendung finden sollen. Die Broker:innen-Teams haben die schöne Aufgabe, die Projektverbünde in ihren Vorhaben zu unterstützen. Diese Unterstützung erfolgt auf der Ebene des Projektmanagements, durch die Vernetzung der Verbünde in inhaltlichen und organisatorischen Fragen, durch die Mitarbeit bei Transfermaßnahmen und -produkten sowie im Support ihrer Außenkommunikation.

Welche Perspektiven bringen Sie mit, die für diese Rolle von Bedeutung sind?

Vor allem viel Praxis-Perspektive! Ich habe früher selbst als Lehrerin gearbeitet. Im Anschluss war ich in verschiedenen Bildungsverlagen beschäftigt und dort verantwortlich für den Fachbuchbereich sowie schulbuchunabhängige Unterrichtsmaterialien. Zuletzt habe ich mich in EdTechs um den Aufbau von Plattformen, Communities und die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften und speziell Schulleitungsteams in einer Kultur der Digitalität gekümmert. Ich kann die Projektverbünde also sehr gut bei der Erstellung ihrer Transferprodukte begleiten und aktiv unterstützen. 

Wie gelingt der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis am besten?

Damit der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis gelingt, ist es wichtig, dass beide Seiten offen und respektvoll aufeinander zugehen. Ich wünsche mir viel Neugierde für die Perspektive des anderen und vor allem eine langfristige, kontinuierliche Zusammenarbeit, die wir insgesamt in der Lehrkräftebildung als Standard implementieren sollten. Den Projektverbünden empfehle ich, die Praxispartner von Beginn an einzubeziehen, ihre Problem- und Fragestellungen zugrunde zu legen, ihr wertvolles Wissen zu nutzen und ko-konstruktiv die Transferprodukte zu erstellen.

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Biografie

Dr. Julia Jennek studierte Lehramt für Gymnasien mit den Fächern Geographie und Geschichte an der Universität Potsdam. Nach einem kurzen Intermezzo beim Bundesverband Geothermie kehrte sie zurück an die Universität, wo sie parallel zu ihrer Promotion in den Erziehungswissenschaften das Projekt Campusschulen auf- und ausbaute. In den letzten drei Jahren koordinierte sie am Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung der Universität Potsdam die Schulpraktika im Lehramtsstudium, ermöglichte deren Umsetzung während der Corona-Pandemie und trug zur Weiterentwicklung der Praktika sowie der Schul-Hochschul-Kooperation bei. Seit August 2023 unterstützt Julia Jennek den Kompetenzverbund lernen:digital als Broker:innen-Leitung für das Kompetenzzentrum Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft.

Im Dialog mit …

Julia
Jennek

Leitung Broker:innen Kompetenzzentrum Sprachen/Gesellschaft/Wirtschaft

Was macht die Rolle der Broker:innen aus und woran arbeiten Sie mit Ihrem Team?

Unsere Aufgabe besteht vor allem im „Knowledge Brokering”, was wir als Sammeln und Teilen von Wissen verstehen. Dazu kommt die Vernetzung, die unsere zentrale Aufgabe ist. 

Konkret arbeite ich mit einem Team aus drei Brokerinnen daran, die thematischen Schwerpunkte unserer sechs Projektverbünde zu analysieren, mögliche Synergien zu finden und die entsprechenden Projektpartner:innen zusammenzubringen. In unserem Kompetenzzentrum mit dem großen Fächerspektrum von Sprachen, Gesellschaft und Wirtschaft eine ziemlich komplexe Aufgabe! 

Darüber hinaus vernetzen wir uns mit den verschiedenen Teilprojekten der Transferstelle, um auch hier Synergien für die Arbeit mit den Verbünden zu erkennen. 

Letztlich wollen wir die Arbeit unserer Verbünde unterstützen, ihnen Hilfestellung leisten und ihre Arbeit sichtbar machen.

Welche Perspektiven bringen Sie mit, die für diese Rolle von Bedeutung sind?

Ich habe selbst Lehramt für die Fächer Geographie und Geschichte studiert und einige Zeit als Vertretungslehrerin gearbeitet. Mein Fokus lag in der Vergangenheit aber vor allem an der Schnittstelle von Hochschule und Schulpraxis: An der Universität Potsdam habe ich neben meiner Promotion das Campusschulen-Netzwerk aufgebaut und etabliert. Hier geht es darum, dass Wissenschaftler:innen, Lehrkräfte und Lehramtsstudierende gemeinsam an Themen der Schul- und Unterrichtsentwicklung arbeiten können. Meine Aufgabe war es, Räume für das Kennenlernen zu schaffen sowie die Grundstruktur der Kooperation zu etablieren. Aufgrund dieser Tätigkeit bin ich sehr vertraut mit den Anforderungen, die Wissenschaftler:innen und Lehrkräfte an die jeweils andere Seite stellen, was sie jeweils leisten können – und was nicht. In den letzten drei Jahren habe ich dann auch stärker mit den Verantwortlichen in der Bildungsadministration zusammengearbeitet, sodass ich auch diese Perspektive mit einbringen kann. Das Wissen hilft mir bei der Vermittlung zwischen „Theorie” und „Praxis” – die gar übrigens nicht so gegensätzlich sind, wie häufig behauptet wird!

Und natürlich sind viele meiner ehemaligen Kommiliton:innen jetzt Lehrkräfte – und geben mir den ungefilterten Eindruck davon, „was wirklich passiert”. 

Wie gelingt der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis am besten?

Einen „Gegensatz” zwischen Theorie und Praxis gibt es so schlicht nicht – Lehrkräfte sind meiner Erfahrung nach neugierig auf das, was an den Universitäten passiert und möchten gern Fortbildungen besuchen, die von den Universitäten angeboten werden. Wissenschaftler:innen, die fortbilden, freuen sich darauf, Input von den Lehrkräften zu erhalten und zu sehen, wie diese wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Tätigkeit umsetzen. Meine Erfahrung aus dem Campusschulen-Netzwerk zeigt, dass Lehrkräfte auf jeden Fall hören wollen, wie die aktuellen wissenschaftlichen Theorien und Erkenntnisse aussehen, um sich dann gemeinsam zu überlegen, wie sie das in ihrem Unterricht umsetzen können. Es braucht also Input, aber auch genügend Zeit für Austausch und gemeinsame Arbeit an der Umsetzung. Und: Lehrkräfte lieben nichts mehr als vorbereitete Materialien, die sie „nur noch” an die Bedürfnisse ihrer Lerngruppen anpassen müssen. 

Im Kompetenzverbund lernen:digital unterstützen wir Broker:innen unsere Verbünde dabei, Ihre Erkenntnisse für Fortbildungen aufzubereiten. Dazu zählen Beratung sowie die Organisation von Workshops zu gelungenen Fortbildungen, die Bereitstellung von Vorlagen für gute Selbstlernmaterialien und die Unterstützung von Formaten, mit denen größere Communities, z. B. über Social Media, erreicht werden können. Wir Broker:innen freuen uns darauf, hier zu unterstützen und unsere Expertise einzubringen.  

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Biografie

Johannes Lorenz ist 1983 in Berlin Pankow geboren und hat auch seine Schulzeit dort verbracht. Nach dem Zivildienst hat er ab 2004 an der Universität in Greifswald Germanistik, Kunst und Erziehungswissenschaften sowie die entsprechenden Fachdidaktiken seiner Fächer studiert. Direkt nach dem Studium trat Johannes Lorenz 2010 sein Referendariat in Berlin Prenzlauer Berg an und war von 2012 bis 2022 Lehrer an verschiedenen Berliner Gymnasien. Während dieser Zeit war er phasenweise Fachleiter des Fachbereichs Deutsch, Teil von Schulleitungsteams, verantwortlicher LRS-Lehrer und Mitglied des Digital-Teams an seinen Arbeitsstätten. Ab 2014 wurde er zudem noch Fachseminarleiter für angehende Deutschlehrkräfte. Seit August 2023 arbeitet er im Kompetenzverbund lernen:digital als Broker-Leitung für das Kompetenzzentrum Musik/Kunst/Sport.

Im Dialog mit …

Johannes
Lorenz

Leitung Broker:innen Kompetenzzentrum Musik/Kunst/Sport

Was macht die Rolle der Broker:innen aus und woran arbeiten Sie mit Ihrem Team?

Wir sind Vermittler, Zwischenhändler, Spediteure, Sprachrohr, Übersetzer, Brückenbauer. Dabei kommunizieren wir multidirektional, multiperspektivisch, dialogisch und transportieren Expertise zwischen Akteur:innen aus Forschung, Praxis, Administration – es wird also in alle Richtungen kommuniziert, sodass das gesamte System in den Blick genommen wird. Nicht nur Forschung soll in die Schulen, auch das Praxiswissen von Lehrkräften und deren Bedarfe müssen zu den Forschenden. Die Bildungsverwaltung muss wiederum die Rahmenbedingungen für die Umsetzung schaffen und dazu konsequent in die Entwicklungsprozesse eingebunden sein. Angesichts dieser komplexen Situation müssen wir zuhören, verstehen, dolmetschen und vernetzen. Das machen wir in unserem Team mit 68 Forschungsprojekten zu digitalen und digital gestützten Lernsettings für die Fächer Musik, Kunst, Sport und fächerübergreifend mit 200 Teilprojekten.

Welche Perspektiven bringen Sie dabei ein?

Ich komme aus der Praxis und bin Lehrer für die Fächer Deutsch und Kunst, war viele Jahre in der Lehrer:innenausbildung tätig und habe auch immer wieder Leitungsaufgaben in Schulen übernommen – somit kenne ich das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft, Praxis, Politik und Verwaltung. Ich verstehe das Bedürfnis der Schulpraxis Unterstützung durch Wissenschaft, Forschung und Bildungspolitik zu erhalten; den Wunsch, gehört zu werden und auch deutlich zu machen, welche Forschungsansätze oder politischen Entscheidungen die Realität der Bildungslandschaft vielleicht noch nicht abdecken und die Vision, dass Bildungsverwaltung im Namen derer handelt, für die sie die Verantwortung trägt: Schüler:innen und Lehrkräfte. Für all das müssen wir die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten einnehmen, einen offenen Dialog führen und nicht zuletzt die Innovationen einem Realitätscheck unterziehen.

Wie gelingt der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis am besten?

Eigentlich folgt Transfer dem Entstehen und Werden einer langen Beziehung. Am Anfang steht das Kennenlernen, es folgt der Aufbau von Respekt und Vertrauen, das Finden einer gemeinsamen Sprache und dann heißt es Zuversicht, Umsicht, Nachsicht, Engagement und Commitment.

Als Broker:innen tragen wir zu eben dieser Beziehungsarbeit bei: Wir vernetzen bezüglich fachlicher, überfachlicher, methodisch-didaktischer, digital-technischer und pädagogischer Aspekte: Welche Projektverbünde fokussieren Körper, Körperbewusstsein und Bewegung? Wer nimmt digitale Tools zum Gestalten künstlerisch-ästhetischer Produkte in den Blick? Wer arbeitet am Einsatz von KI oder VR? Wer forscht zu Blended Learning oder selbstgesteuertem Lernen? Wer widmet sich Inklusion und Chancengleichheit? In all diesen Bereichen spielt Digitalität eine große Rolle.

X/Y

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Biografie

Lara Halbrock studierte Kunstgeschichte und Romanistik sowie Biologie und Französisch für das gymnasiale Lehramt in Hamburg. Seitdem bewegt sie sich beruflich an der Schnittstelle von Kultur, Bildung, Technologie und Naturwissenschaften. Schulische Lehrerfahrung sammelte sie sowohl national wie international. Seit 2020 forscht und lehrt Lara Halbrock als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim. Ihr Fokus liegt hierbei auf der Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen von (angehenden) Lehrkräften und Schüler:innen im naturwissenschaftlichen Unterricht. Seit Juli 2023 leitet sie das Broker:innen Team für das Kompetenzzentrums MINT an der Universität Potsdam.

Im Dialog mit …

Lara
Halbrock

Leitung Broker:innen Kompetenzzentrum MINT

Was macht die Rolle der Broker:innen aus und woran arbeiten Sie mit Ihrem Team?

Als Broker:innen nehmen wir im Kompetenzverbund lernen:digital die Rolle der Vermittler, Brückenbauer und Zwischenhändler ein. Dabei vermitteln wir zwischen unterschiedlichen Akteur:innen aus Wissenschaft, Kommunikation und Bildungspraxis, kommunizieren multidirektional sowie multiperspektivisch und „handeln” mit Wissen, das wir durch die enge Zusammenarbeit mit den Projektverbünden unserer jeweiligen Kompetenzzentren erlangen. Damit stellen wir eine wichtige und vor allem greifbare Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Bildungspraxis und -verwaltung dar. Ein konsequenter Schritt, um die digitale Transformation von Schule und Lehrkräftebildung in Deutschland zielgerichtet auf den Weg zu bringen. Hier kann nicht nur die Praxis von der Wissenschaft, sondern auch die Wissenschaft von der Praxis profitieren. Damit Vernetzung und Transfer zwischen unseren 52 Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Kompetenzzentrum MINT auch gelingen kann, braucht es viel Feingefühl und Verständnis für alle beteiligten Seiten sowie Aufmerksamkeit für die vielen Fortschritte in den unterschiedlichen Bereichen. 

Welche Perspektiven bringen Sie dabei ein?

Ich bin Lehrerin für die Fächer Biologie und Französisch sowie Kunsthistorikerin. Im Laufe meiner beruflichen Laufbahn habe ich sowohl für Kultur- und Bildungseinrichtungen als auch in der Wissenschaft gearbeitet und mich dadurch immer „zwischen den Welten” bewegt – sowohl auf fachlicher als auch auf institutioneller Ebene. Das Spannungsfeld zwischen Bildungspraxis und -politik sowie Wissenschaft ist mir daher gut vertraut. Um sicherzustellen, dass Forschungsergebnisse und politische Maßnahmen die Realität des Bildungssystems in Deutschland angemessen berücksichtigen, ist ein offener Dialog, die Fähigkeit zur Perspektivenvielfalt und die Entwicklung einer gemeinsamen Vision von entscheidender Bedeutung. Der Kompetenzverbund lernen:digital bietet dahingehend eine echte Chance. Wir MINT-Broker:innen freuen uns darauf, aktiv an diesem Prozess mitzuwirken. 

Wie gelingt der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis am besten?

Der erfolgreiche Transfer zwischen Bildungspraxis und Wissenschaft erfordert engagierte Zusammenarbeit, offene Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen und dauerhafte Verbindungen zwischen beiden Bereichen. Im Kompetenzverbund lernen:digital arbeiten wir intensiv an Konzepten, die einen effektiven und nachhaltigen Wissenstransfer zwischen Bildungspraxis und Wissenschaft ermöglichen, um einen echten Mehrwert für die digitale Transformation von Schulen und die Ausbildung von Lehrkräften in unserem Land zu schaffen. Wissenschaft-Praxis-Transfer bedeutet nicht nur, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Bildungspraxis zu übertragen, sondern auch die Expertise aus der Praxis in die Wissenschaft zurückzuspielen und auf einen Forschungsbedarf hinzuweisen. Die Broker:innen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie tragen dazu bei, dass die Verbünde innerhalb der Kompetenzzentren und darüber hinaus zusammenwachsen und haben dabei sowohl fachliche, überfachliche, methodisch-didaktische, digital-technische und pädagogische Aspekte im Blick: Welche Fächer werden fokussiert? Wer beforscht den Einsatz von KI, VR oder MR zur Flexibilisierung des Lernens in zeitlicher und räumlicher Hinsicht? Wo beschäftigt man sich mit Blended Learning und wer befasst sich mit Inklusion und Heterogenität? In diesen und vielen weiteren Bereichen spielt Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Unsere Aufgaben als Broker:innen bestehen darin, dieses Wissen zu bündeln. Dafür gilt es aufmerksam zuzuhören und flexibel auf die Bedürfnisse der Verbünde, der Wissenschaftskommunikation und der Praxispartner:innen zu reagieren. Denn die Vernetzung und der Transfer sind und bleiben Schlüsselelemente für eine stabile Beziehung zwischen Wissenschaft und Praxis.