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Virtual Reality im Unterricht: Warum?

Virtual Reality (VR) eröffnet ihren Nutzenden Wege neuen Lernens. Im Gegensatz zu anderen Medienformen setzt sie auf eine multidimensionale Vermittlung – kombiniert Text, Klang und Bild zu einer interaktiv betretbaren, aber vor allem mit ihr interagierbaren Welt. Die darin präsentierten Themen und Inhalte können durch diesen handlungsorientierten Zugang nachhaltig verankert und durchdrungen werden, da sie an selbstständig gemachte Erfahrungen angebunden werden. Angesichts dessen bieten VR-Anwendungen – auch schon für den Primarstufenunterricht – vielfältige Bildungs- und Lernpotenziale, die sich in verschiedenen fachdidaktischen und pädagogischen Vermittlungskontexten einsetzen lassen.

Sollten Grundschulkinder nicht lieber authentische Erfahrungen machen statt virtueller?

Diesem Vorurteil begegnet man in der Medienpädagogik und -didaktik oftmals – nicht nur im Kontext der unterrichtlichen Einbindung von Virtual Reality, sondern auch bei der Mediennutzung allgemein. Der entsprechende Forschungsdiskurs ist in diesem Artikel ausführlich erläutert. Statt eines Gegeneinander sollte jedoch eher auf ein lernförderliches Miteinander gesetzt werden, denn: VR eröffnet Kindern u. a. Erfahrungsräume, die sie in der realen Welt nur unter großem personellen oder aber finanziellen Aufwand in der Schule sammeln könnten, wie beispielsweise ein Kurztrip zu den Pyramiden oder ein Besuch der Mona Lisa im Louvre. Primärerfahrungen in der „echten“ Welt ermöglichen hingegen ein authentisches Erleben unserer Umwelt, unserer Natur, unseres Zusammenlebens. Beide Erfahrungsräume ermöglichen folglich andere Dinge, weshalb man sich als Lehrkraft nicht die Frage stellen sollte, ob man mit dem einen oder dem anderen arbeitet, sondern vielmehr: Was macht vor dem Hintergrund des zu erreichenden Lernziels in meiner spezifischen Lerngruppe gerade am meisten Sinn? Welche Vorteile bietet die eine Variante gegenüber der anderen? Nur dann lässt sich abwägen, welcher Erfahrungsraum gerade lernförderlich ist.

Welche technischen Herausforderungen treten speziell in der Grundschule auf?

Dadurch, dass die Nutzenden in der Primarstufe meistens noch recht klein sind, treten vor allem hardwarespezifische Probleme auf, auch manche Steuerungstechnik ist oftmals noch nicht ganz leicht. Bezüglich der Hardware kann es sein, dass die VR-Headsets manchen Kindern noch zu groß sind und ihnen die Brillen von den kleinen Nasen rutschen. Mit entsprechenden Headsets-Einsätzen und Kopfbänden, die oftmals mitgeliefert werden, können die Headsets jedoch mit ein wenig Übung so eingestellt werden, dass sie auch schon Erstklässler*innen passen. Dazu sollte gerade bei unerfahrenen Kindern viel Zeit zum Ausprobieren eingeplant werden, sodass sie sich langsam mit der Steuerung vertraut machen können. Die Bewegungssteuerung ist zumeist kein Problem – wir beobachten am Zentrum für didaktische Computerspielforschung immer wieder, dass sich Kinder viel natürlicher in virtuellen Räumen bewegen und zurechtfinden als Erwachsene das tun, da sie intuitiv mehr ausprobieren. Morph-Bewegungen erfordern jedoch ein wenig Training, sodass es empfehlenswert ist, dass Anwendungen mit Morph-Steuerung gemeinsam mit den Kindern auszuprobieren und erst dann in individuelle Arbeitsphasen überzuleiten. Bei der Morph-Steuerung bewegen sich nicht die Anwendenden, sondern der Raum. Mithilfe eines Controllers werden einzelne Punkte im Raum angewählt, an welchen die Spielenden dann gebeamt werden und sich der entsprechende Raumausschnitt verändert.

Welche didaktischen Herausforderungen treten speziell in der Grundschule auf?

Am Zentrum für didaktische Computerspielforschung (kurz: ZfdC) wird in vielfältigen Forschungsprojekten untersucht, wie zukunftsweisende Bildungstechnologie schon heute in den Unterricht integriert werden kann und wie sich Bildung angesichts einer sich stetig wandelnden Lebenswelt mit- und weiterentwickeln muss, um weiterhin zeitgemäß und lebensweltorientiert zu bleiben.
Didaktische Herausforderungen im aktuellen Primarstufenunterricht liegen beispielsweise in der lernförderlichen Integration interaktiver Medienformen, der Abwägung zwischen realweltlichen oder medieninitiierten Erfahrungsformen oder der Gestaltung inklusiver Vermittlungssettings mithilfe digitaler Tools. Daher liegen unsere Forschungsschwerpunkte aktuell u.a. in der Untersuchung erfahrungsbasierter Settings, der kognitiven Aktivierung durch mediale Formate oder der Umsetzung von lernförderlichen Gelingensbedingungen mithilfe von Eyetracking, Apps, Games, VR und KI.

Dr. Lisa König

Dr. Lisa König ist Direktorin des Zentrums für didaktische Computerspielforschung an der Pädagogischen Hochschule Freiburg und leitet gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Jan M. Boelmann alle Belange des ZfdC. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte als Literatur- und Mediendidaktikerin liegen u. a. in der Untersuchung medial-literarischer Lernprozesse, der Literaturvermittlung mithilfe interaktiver Medien sowie der empirischen Bildungsforschung.

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Neue Schwerpunkte für den Fremdsprachenunterricht

Viele klassische Lernprodukte des Fremdsprachenunterrichts können mittlerweile schnell und effizient durch Künstliche Intelligenz (KI) erledigt werden, beispielsweise Textzusammenfassungen sowie Erstellung von Texten und anderem Content. Wenn man sich fragt, was dann in Zukunft im Fremdsprachenunterricht überhaupt noch vermittelt werden muss, ist das Verständnis von dem, was Kommunikation ausmacht, entscheidend. Reale zwischenmenschliche Kommunikation beschränkt sich nicht auf den Austausch sprachlicher Zeichen, sondern ist durch emotionale und pragmatische Aspekte geprägt (Grünewald, 2019). Die Kommunikation in der Fremdsprache findet in einem spezifischen Kontext statt, der kulturelle und interkulturelle Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert.

Durch den zunehmenden Einsatz von KI ergeben sich daher neue fachliche Schwerpunktverschiebungen für den Fremdsprachenunterricht. Stärkere Wichtigkeit erlangen insbesondere folgende Lerninhalte:

  • emotionale Aspekte der Kommunikation (z.B. Tonfall, Prosodie, Empathie, Affekt, zwischenmenschliche Konflikte)
  • pragmatische Aspekte der Kommunikation (z.B. Angemessenheit, Höflichkeit, Ironie und Humor, kontextabhängige Funktion von Wörtern)
  • kompetenter und kritisch-reflexiver Umgang mit KI-Werkzeugen

Fokussierung auf den Lernprozess

Doch nicht nur die Inhalte verändern sich, sondern der gesamte Fokus des Fremdsprachenunterrichts. Zukünftige Aufgabenstellungen sollten nicht mehr ausschließlich auf die Erstellung von Produkten oder das Wiedergeben von Wissen ausgerichtet sein, da Lernende mithilfe von KI-Werkzeugen hochwertige Textprodukte (Schrift, Film, Audio) einreichen können. Zukünftig ist das Hauptaugenmerk eher der Lernprozess, während die Qualität des Lernproduktes an zweite Stelle rückt.

Konkret könnten die Schüler:innen lernen, die KI-Werkzeuge kompetent einzusetzen und zu begründen, warum bestimmte Texte übernommen oder verworfen wurden. Die Auseinandersetzung mit KI-Texten sollte dafür in den Fokus gerückt werden, beispielsweise indem Übersetzungen mit DeepL nicht einfach übernommen werden, sondern vielmehr nach alternativen pragmatischen und idiomatischen Formulierungen gesucht wird, die die Lernenden selbst formulieren oder aus einem reichen Angebot des Programms wählen können. Neue sprachliche Strukturen, die durch die KI-Texte eingeführt werden, sollten von der Lehrkraft im Unterricht aufgegriffen und bewusst gemacht werden. Wichtiges Ziel ist dabei, dass die Lernenden KI-generierte Texte so weit verstehen, dass sie sie selbst überprüfen können statt blind der automatischen Übersetzung zu vertrauen.

Links zu praxiserprobten Ideen für die Unterrichtsgestaltung finden sich unten im Bereich Vertiefung.

Medienkompetenz der Lehrenden

Die Integration von KI-Werkzeugen in den Fremdsprachenunterricht erfordert die Förderung einer kritisch-reflexiven Medienkompetenz der Lehrenden. Dazu gehört die Reflexion von Phänomenen wie dem Bias bei Chatbots, ebenso auch die Überprüfung des Wahrheitsgehaltes von KI-generierten Inhalten (Stichwort Faktencheck und Fake News) oder auch die Verwendung von KI-Werkzeugen im Kontext von Prüfungen im Bildungswesen und die damit verbundenen Fragen der Autorschaft (z.B. bei der Nutzung von ChatGPT oder bei Nutzung von Ki-basierten Werkzeugen zum Zusammenfassen von Textinhalten).

Entsprechende Fortbildungen werden auch im Teilprojekt „Entwicklung und Evaluation digitaler Fortbildungsmodule zum Einsatz von KI-Tools im Französischunterricht“, das im Kompetenzverbund lernen:digital im Verbundprojekt DiSo-SGW angesiedelt ist, erstellt.

Bias bei Chatbots

Bias bezeichnet Verzerrungen in den Antworten eines Chatbots, die durch unausgewogene Trainingsdaten entstehen können. Beispielsweise gibt es eine Tendenz, moderne Inhalte gegenüber historischen Themen zu bevorzugen, da das Internet als Hauptquelle der Trainingsdaten dient und mehr aktuelle als historische Informationen enthält. Solche Verzerrungen in den Trainingsdaten können zu Diskriminierung und Rassismus führen. Die Intransparenz von Chatbot-Antworten und den dahinter liegenden KI-Algorithmen birgt Risiken, die den Missbrauch durch Fake News oder Deep Fakes begünstigen können, wenn sie von den Nutzenden nicht erkannt werden können.

Prof. Dr. Andreas Grünewald
Andreas Grünewald

Andreas Grünewald ist Professor für Didaktik der romanischen Sprachen an der Universität Bremen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind der Fremdsprachenunterricht mit digitalen Medien, Film und Kurzfilm sowie die Erforschung von fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozessen. Er ist wissenschaftlicher Leiter der Klett-Akademie für Fremdsprachendidaktik und verantwortlicher Herausgeber der Zeitschrift für Fremdsprachenforschung (ZFF). Aktuell leitet er das Teilprojekt „Entwicklung und Evaluation digitaler Fortbildungsmodule zum Einsatz von KI-Tools im Französischunterricht“, das im Kompetenzverbund lernen:digital im Verbundprojekt DiSo-SGW angesiedelt ist. 

Vertiefung

In diesem Bereich finden Sie vertiefende Links und Literatur zum Thema.

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Was versteht man unter Digital Divide?

Digitale Medien können den Unterricht interaktiver, effektiver und spannender machen, wenn sie didaktisch sinnvoll eingesetzt werden. Dann sind sie ein Beitrag dazu, sich auch in einer digital geprägten Welt sicher zu bewegen. Für diejenigen, die erschwerte Zugangsmöglichkeiten zum Internet und zu digitalen Geräten haben, kann die digitale Unterrichtsgestaltung jedoch zu einer ausgrenzenden Erfahrung werden. Um dies zu beschreiben, wird der Begriff des Digital Divide (dt. Digitale Kluft) verwendet.

Der Digital Divide beschreibt Unterschiede zwischen Personen, Bevölkerungsgruppen oder Ländern im Zugang und in der Nutzung von (digitalen) Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere in Bezug auf das Internet. Während manche Menschen täglich problemlos mit verschiedenen Geräten und Zielen online sind, verfügen andere kaum über diese Möglichkeiten oder nötige Kompetenzen.

Oft werden drei Ebenen beschrieben, auf denen sich ein Digital Divide zeigen kann:

  1. First-Level Digital Divide: Differenzen im Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien (auch Geräte und Software/Apps), insbesondere Internetzugang
  2. Second-Level Digital Divide: Differenzen in den Fähigkeiten mit Informations- und Kommunikationstechnologien umzugehen und Unterschiede in deren Nutzung (wie oft/lange werden welche Anwendungen benutzt)
  3. Third- oder Zero -Level Digital Divide: Differenzen in den Ergebnissen oder Auswirkungen der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (z.B. in sozialen, ökonomischen, politischen oder bildenden Bereichen) bzw. auch durch algorithmische Systeme bedingte Unterschiede

Vielfältige Faktoren (sozial, ökonomisch, kulturell etc.) können solche digitalen Kluften entstehen lassen oder sie vergrößern. Mit dem immer weiter voranschreitenden Grad der Digitalisierung einer Gesellschaft besteht die Gefahr, dass sich diese Kluft noch mehr weitet und bestehende soziale Ungleichheiten im Digitalen weiter verstärkt statt vermindert werden. Das ist besonders problematisch, da es zunehmend grundlegende Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit oder der politischen Teilhabe beeinflusst.

Wie betrifft der Digital Divide Schule und Unterricht?

Davon bleibt auch der schulische Bildungskontext nicht verschont. Schülerinnen und Schüler auf einer Seite der Kluft können nicht so selbstverständlich oder erfolgreich in der digitalen Welt navigieren wie andere, besitzen vielleicht keine eigenen Geräte oder haben zu Hause nicht die Möglichkeit oder Unterstützung, sich im digitalen Bereich auszuprobieren. Infolgedessen haben sie es auch schwerer, an digitalen Lehr- und Lernformaten zu partizipieren oder die für eine zunehmend digitale Gesellschaft notwendigen digitalen Skills zu erwerben und laufen dadurch Gefahr, weiter abgehängt zu werden.

Große internationale und repräsentative Schulvergleichsstudien wie die ICILS 2018 (International Computer and Information Literacy Study) befassen sich neben dem Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien, deren Nutzung und verbundenen Motivationen auch mit den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Jugendlichen. Dabei geht es um die Fähigkeiten, digitale Technologien zu nutzen, um Informationen zu gestalten, kommunizieren, recherchieren und zu bewerten und dadurch erfolgreich am privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Insbesondere in Bezug auf diese digitalen Kompetenzen tut sich laut der ICILS 2018 in Deutschland eine große herkunftsbezogene digitale Kluft unter Schüler:innen auf: Über 40% der Schüler:innen aus Familien mit niedrigem kulturellem Kapital verfügen nur über sehr grundlegende oder rudimentäre computer- und informationsbezogene Kompetenzen – bei Kindern aus Familien mit hohem kulturellem Kapital liegt dieser Anteil unter 20%. Der Zugang und die Nutzung digitaler Medien hingegen werden inzwischen weniger durch die soziale Herkunft bedingt.

Dies zeigt, dass Kinder und Jugendliche nicht zwangsläufig gut mit digitalen Medien umgehen können, weil sie mit ihnen aufgewachsen sind. Die sogenannten Digital Natives mögen vielleicht ein intuitiveres Verständnis für digitale Medien besitzen – der Digital Divide verdeutlicht jedoch, dass diese Annahme auch eine falsche Selbstverständlichkeit beinhaltet. Die Vermittlung von digitalen Kompetenzen unter Berücksichtigung dieser Kluft als ein Schulbildungsziel ist ein wichtiger Bestandteil, um Chancen- und Bildungsgerechtigkeit zu verwirklichen.

Vertiefung

In diesem Bereich finden Sie vertiefende Informationen, Literatur und Links zum Thema.