Artikel9. Dezember 2024von Dr. Gabriele Irle und Maren GebhardtLesezeit: 2 Minuten

Wow! Hält die Begeisterung für VR/AR im Unterricht in Zukunft an?

VR-Brillen lösen erstmal einen wow!-Effekt aus, ihnen haftet ein Motivationsvorschuss an. Doch was wird sich nach dieser ersten Begeisterung wirklich etablieren und das Lernen bereichern? Im Community Call am 6. November 2024 haben wir mit unseren Gästen Zukunftsszenarien für den Einsatz von VR/AR im Schulalltag diskutiert. Dieser Beitrag greift den Gesprächsbeginn im Hinblick auf das Thema Motivation auf.

VR-Brillen machen erstmal neugierig und versprechen ein eindrückliches Erlebnis. Im Community Call berichtet Florian Brückner, Berufschullehrer in Kronach und Projektleiter für die XRXplorer Schools in Bayern, dass VR-Brillen gemäß seiner Erfahrung nach etwa fünf oder sechs Einsätzen an Normalität gewinnen. Ob und wie sich die Motivation dann in nachhaltige Lernprozesse überführen lässt, damit die VR-Brille von den Lernenden nicht nur als Spielerei wahrgenommen wird, hängt seiner Überzeugung nach insbesondere von der Eignung der Anwendungsfälle ab. Besonders vielversprechend sind Anwendungsfälle, sogenannte Use Cases, die etwas erlebbar machen, das die Schüler:innen sonst nicht oder nur sehr selten erleben können.

„Wir achten bei uns an der Schule immer darauf, dass ein lernförderlicher Use Case zugrunde liegt, wenn wir XR-Anwendungen beschaffen und in den Unterricht integrieren. Es eignen sich besonders Lernsettings, die wir aus Sicherheits-, Kosten- oder Nachhaltigkeitsgründen nicht konventionell unterrichten können.“

Florian Brückner, Berufliches Schulzentrum Kronach und Stiftung Bildungspakt Bayern

Vielleicht erfordern die neuen Lernformen, die VR-/AR-Technologien ermöglichen, auch eine neue Sicht auf den Wissensbegriff und Lernprozesse, die bislang vornehmlich unter dem Aspekt von kognitiven Lerneffekten betrachtet werden. Sie erweitern Lernprozesse beispielsweise um Dreidimensionalität, Interaktivität oder Embodiment. Dadurch erlangen Lernende Wissen, das über abfragbares Wissen hinausgeht und für den individuellen Entwicklungsprozess trotzdem bedeutsam ist.

„Natürlich lerne ich etwas, wenn ich in einer 360-Grad-Sphäre durch die ISS schwebe: Da lerne ich, wie das sein könnte, in der ISS zu schweben. Aber das fragt kein schulischer Test ab – das ist kein standardmäßiges deklaratives oder prozedurales Schulwissen. Aber eigentlich ein wichtiges Wissen, denke ich!“

Prof. Dr. Peter Gerjets, Leibniz-Institut für Wissensmedien und Universität Tübingen

Die den Körper einbindenden und affizierendenden Medienarrangements von AR und VR machen einen Teil der Motivation aus. Sie erfordern aber auch einen bedachten Einsatz von VR und AR, deren Inhalte durch die Intensität der Erfahrung Schüler:innen an Grenzerfahrungen bringen können. Auch gilt es, VR-/AR-Anwendungen dahingehend zu überprüfen, welche Vorstellungen von Körpern in die Anwendungen eingeschrieben sind. Mit den digitalen Technologien drängen zudem Akteur:innen in den Bildungsbereich, die mit ihrer Monopolstellung Abhängigkeiten schaffen und den Gestaltungsspielraum mit den Technologien vorgeben.

„Die Erfahrungen, die man in oder mit AR und VR sammelt, können durchaus emotional herausfordernd sein. Wenn man sie als eine harmlose Spielerei verkauft, geraten vor allem auch ethische Dimensionen aus dem Blick.“

Nicola Przybylka, Universität Duisburg-Essen

Im Gespräch zwischen Florian Brückner (Berufliches Schulzentrum Kronach und Stiftung Bildungspakt Bayern), Peter Gerjets (Leibniz-Institut für Wissensmedien und Universität Tübingen) und Nicola Przybylka (Universität Duisburg-Essen), das von Gabriele Irle (Leibniz-Institut für Wissensmedien) moderiert wurde, werden weitere Aspekte aufgegriffen wie: Wie kann in VR-/AR-Anwendungen kollaborativ gearbeitet werden? Wohin werden sich Anwendungen entwickeln? Welche kritischen Aspekte müssen in den Blick genommen werden, wenn sie in der Schule und im Bildungsbereich eingesetzt und beforscht werden?

Das Gespräch können Sie im Video in voller Länge verfolgen. Im Vertiefungsbereich sind Hinweise aus dem Chat und Empfehlungen der Speaker:innen hinterlegt.

Aufzeichnung des Community Calls am 6. November 2024

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Dr. Gabriele Irle

Gabriele Irle gehört zum Redaktionsteam des Zukunftsraums, der zur Wissenschaftskommunikation des Kompetenzverbund lernen:digital beiträgt. Sie ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) im Bereich Forschungsbasierter Transfer zum Einsatz digitaler Medien in der Lehre tätig. Zuvor arbeitete sie in weiteren Projekten zu Transferaktivitäten in Hochschule und Schule am IWM. Sie studierte an der Universität Hildesheim Internationales Informationsmanagement, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre. In ihrer Promotion (2017, Uni Hildesheim) untersuchte sie, wie die Informationssuche im Internet aus der Perspektive der Suchenden erlebt wird.

Maren Gebhardt

Maren Gebhardt gehört zum Redaktionsteam des Zukunftsraums, der zur Wissenschaftskommunikation des Kompetenzverbund lernen:digital beiträgt. Sie arbeitet am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Forschungsbasierter Transfer zum Einsatz digitaler Medien in der Lehre. Sie studierte Germanistik und Altphilologie in Tübingen sowie Kunsterziehung an der Bauhaus Universität Weimar (Erstes Staatsexamen). Sie unterrichtete an Schulen und Hochschulen und gestaltete in Kommunikationsagenturen außerschulische Lernorte sowie Unterrichtsmedien mit der Spezialisierung auf die Zielgruppe Lehrkräfte und Bildungsakteur:innen.