DiDiPro: „Wir sehen im digitalen Musik-Producing ein großes Potenzial für den Musikunterricht.“
Der Projektverbund „Digitalität – Diversität – Producing. Praktiken populärer Musik in Schule und Weiterbildung“ (DiDiPro) entwickelt diversitätssensible Fort- und Weiterbildungen für (angehende) Musiklehrkräfte unter schwerpunktmäßiger Berücksichtigung des digitalen Musik-Producings. In dem Projektverbund arbeiten die drei Universitäten Oldenburg, Münster und Lüneburg gemeinsam an den Fortbildungsmodulen. Wir sprachen mit dem Wissenschaftlichen Leiter, Prof. Dr. Mario Dunkel von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, über die Ziele und Inhalte der Fortbildungen und die Rolle, die das digitale Musik-Producing darin einnimmt.
Interview mit Prof. Dr. Mario Dunkel. Redaktion: Petra Schraml, DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Sie arbeiten in dem Projektverbund DiDiPro mit. Was ist das Ziel des Projektvorhabens?
Mario Dunkel:Das Ziel des Projektverbunds DiDiPro ist der Aufbau, die Erweiterung und der spätere Transfer von fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten entlang diversitätssensibler Zugänge zu Producing im Kontext populärer Musikkulturen. Das Projekt teilt sich in vier Teilziele auf. Ziel eins ist die konzeptions- und länderübergreifende Implementierung von diversitätssensiblen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Producing. Ziel zwei ist die nachhaltige Gestaltung eines phasenübergreifenden Wissenstransfers im Bereich diversitätssensibles Producing. Ziel drei ist der Transfer internationaler Erkenntnisse in die Lehrkräftebildung und Ziel vier ist die Bündelung und Bereitstellung von Materialien zur Lehrkräftefortbildung und Unterrichtsentwicklung im Bereich Producing und Diversität.
Das digitale Musik-Producing nimmt eine große Rolle in Ihrem Projektverbund ein.
Mario Dunkel: Ja, Musik-Producing spielte bislang eine untergeordnete Rolle im Musikunterricht und in der Lehrkräftefortbildung von Musiklehrkräften im deutschsprachigen Raum. Dabei birgt es ein enormes Potenzial für den Musikunterricht, weil es mit Kernpraktiken populärer Musik arbeitet, mit denen sich Schüler:innen zum Teil sowieso schon auseinandersetzen. Eine unreflektierte Einführung von Aspekten des Producings in den Musikunterricht kann die Beteiligten aber überfordern und soziale Ungleichheiten verstärken. Wir versuchen deshalb, das Producing diversitätssensibel zu vermitteln und zum Beispiel Gender-Stereotype, wie das klassische Bild des Musikproduzenten, das sehr stark männlich konnotiert ist, zu hinterfragen. So haben wir u. a. einen Avatar entwickelt, der sich in einem binären Geschlechtermodell nicht genau zuordnen lässt, um so von dem Stereotyp des männlichen Musikproduzenten wegzukommen.
„Wir haben dort die Fortbildungsmodule erprobt, die wir bereits erarbeitet haben, und uns dazu u. a. Feedback von teilnehmenden Lehrkräften und Studierenden eingeholt.“
Welche Fortbildungsmodule entwickeln Sie?
Mario Dunkel: Die Fortbildungsmodule, die wir entwickeln, richten sich in erster Linie an Musiklehrkräfte in der Sekundarstufe I und II. Alle fünf Teilprojekte von DiDiPro beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten von Musikproduktion. Ein Teilprojekt an der Universität Lüneburg entwickelt Lehrerfortbildungen zu Digital Audio Workstations. An der Universität Oldenburg werden zwei Teilprojekte durchgeführt. Eins dreht sich um die Entwicklung von Tutorials für Musikproduktion. In dem anderen werden Lehrkräfte und auch Schüler:innen dazu angeregt, auf kreative Art und Weise selbst diskriminierungskritische Musikvideos zu erstellen und dadurch einen handlungsorientierten Umgang mit diesen Fragen zu entwickeln. Verschiedene Methoden zum Umgang und zur Erstellung von Musikvideos mit problematischen Inhalten sind bereits entstanden. Dabei orientieren wir uns an der Hip-Hop-Pädagogik, in der es auch um Empowerment-Techniken geht und wie diese kreativ im Rahmen von der Musikproduktion und der Musikvideoproduktion erprobt werden können.
Welche Inhalte haben die Teilprojekte an der Universität Münster?
Mario Dunkel: In einem der beiden Teilprojekte geht es darum, wie Lehrkräfte musikpraktisch mit Improvisation arbeiten und dabei auch digitale Tools einsetzen können, bei dem anderen um Beatmaking und digitales DJing im Musikunterricht. Alle fünf Teilprojekte sind eng miteinander verbunden, so beschäftigt sich das Tutorial-Projekt beispielsweise auch mit Digital Audio Workstations. Interessierte können auf unserer Internetseite mehr über die einzelnen Teilprojekte erfahren.
Wenn die Teilprojekte eng miteinander verbunden sind, arbeiten Sie bestimmt auch eng zusammen. Wie gelingt die Hochschul- und länderübergreifende Zusammenarbeit?
Mario Dunkel: Sehr gut. Es gibt regelmäßige Treffen und Interaktionen, vor allem, wenn es zwischen den Teilprojekten einen engen thematischen Bezug gibt. Aber wir entwickeln auch gemeinsame Formate wie beispielsweise den Fortbildungstag, der jetzt im November in der Landesmusikakademie in Heek (NRW) stattfand. Wir haben dort die Fortbildungsmodule erprobt, die wir bereits erarbeitet haben, und uns dazu u. a. Feedback von teilnehmenden Lehrkräften und Studierenden eingeholt.
„Lehrkräfte und zum Teil auch Studierende erproben die Materialien und Konzepte und geben uns ein erstes Feedback dazu, wie sie im Unterricht eingesetzt werden können.“
Das heißt, die Lehrkräfte und Studierenden werden von vorneherein in die Entwicklung der Fortbildungen eingebunden?
Mario Dunkel: Unser Projekt ist so strukturiert, dass an allen Standorten sogenannte phasenübergreifende Entwicklungsteams zusammenarbeiten. Die Teams bestehen aus der Projektleitung, Projektmitarbeitenden, Studierenden und mindestens zwei Lehrkräften aus unterschiedlichen Schulen in verschiedenen Bundesländern. Dadurch waren Lehrkräfte und auch Studierende von Anfang an in die Entwicklung unserer Fortbildungen eingebunden. In den Teams besprechen wir die Materialien, die wir entwickeln, und reflektieren ihren Einsatz in Seminaren. Lehrkräfte und zum Teil auch Studierende erproben die Materialien und Konzepte und geben uns ein erstes Feedback dazu, wie sie im Unterricht eingesetzt werden können. Das ist sehr hilfreich, weil wir dadurch einen sehr regelmäßigen und intensiven phasenübergreifenden Austausch haben und wir die Fortbildungen darauf aufbauend weiterentwickeln können.
„Gleichzeitig ist es auch eine Möglichkeit, auf Praktiken einzugehen, die in der Alltagswelt der Schüler:innen ohnehin schon verankert sind.“
Gibt es auch schon Kontakte zu Landesinstituten?
Mario Dunkel: Ja, wir arbeiten auch mit den Landesinstituten in den Ländern zusammen. So haben wir schon in der Frühphase des Projekts beispielsweise einen Workshop am Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) im Rahmen des Landeskongress Musikunterricht gegeben. Da wir ein Verbund mit einer Fokussierung auf Musikunterricht sind, ist die Kooperation mit den Landesmusikakademien, die ebenfalls für Musiklehrkräftefortbildungen zuständig sind, aber ebenso zentral.
Wie können Lehrkräfte durch die Fortbildungen, die Sie erarbeiten, ihren Unterricht weiterentwickeln?
Mario Dunkel: Lehrkräfte können durch die Fortbildungen ihren Unterricht um digitale Komponenten oder Themen erweitern. Das ist insofern interessant für die Lehrkräfte, weil es Inhalte sind, die bis jetzt im Studium eine nur untergeordnete Rolle spielten, wenn es sie überhaupt gab. Gleichzeitig ist es auch eine Möglichkeit, auf Praktiken einzugehen, die in der Alltagswelt der Schüler:innen ohnehin schon verankert sind. Viele Schülerinnen und Schüler produzieren mit dem Handy oder iPad schon im Alltag einfache Musikaufnahmen und kleine Musikvideos. Musikproduktion ist sehr zugänglich geworden. Man spricht auch von dem sogenannten Bedroom-Producing, was so viel bedeutet wie, dass im Kinderzimmer Musikaufnahmen gemacht werden, die schon recht professionell klingen können. Wir sehen in diesen Entwicklungen ein großes Potenzial. Die Herausforderungen und Chancen bestehen darin, solche Praktiken in den Unterricht zu integrieren und dabei auch eine reflexive Perspektive auf diese zu ermöglichen. Im Musikunterricht besteht oft eine große Heterogenität in der musikalischen Vorbildung der Schüler:innen. Unsere Herangehensweise ist deshalb auch eine Möglichkeit, beispielsweise Schüler:innen, die keinen Instrumentalunterricht hatten, dafür aber technikaffin sind oder gerne Dinge mit digitalen Endgeräten ausprobieren, für den Musikunterricht zu begeistern.
Prof. Dr. Mario Dunkel
Mario Dunkel ist Professor für Musikpädagogik mit Schwerpunkt transkulturelle Musikvermittlung am Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (UOL). Er studierte in Dortmund, Atlanta und New York Musik, Englisch und Amerikanistik. 2014 promovierte er in Amerikanistik/Kulturwissenschaften an der TU Dortmund. 2017 trat er die Juniorprofessor für Musikpädagogik mit Schwerpunkt transkulturelle Musikvermittlung am Institut für Musik der UOL an. Im März 2023 folgte die Ernennung zum Universitätsprofessor. Im Kompetenzverbund lernen:digital leitet Mario Dunkel den Projektverbund „Digitalität – Diversität – Producing: Praktiken populärer Musik in Schule und Weiterbildung“ (DiDiPro).