24. Juli 2025

Welche VR/AR-Ausstattung brauchen Schulen?

Frage eingesendet von:
Teilnehmer des Community Calls „Schule der Zukunft: Welche Rolle könnten Augmented und Virtual Reality spielen?“ am 6. November 2024

Frage beantwortet von:
Florian Brückner

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Im Rahmen dieser Antwort wird ein Überblick über die vier Ausstattungsbereiche Headsets, VR/AR-Anwendungen (Content), technische Infrastruktur und Raummanagement gegeben. Er orientiert sich an VR/AR-Trainingsanwendungen für den beruflichen Bildungsbereich. Je nach schulartspezifischen Anwendungsfällen kann die VR/AR-Ausstattung entsprechend variieren.

Headsets

Die wichtigste Investition ist das jeweilige Endgerät, das den immersiven Lerninhalt erlebbar macht. Das perfekte Headset für den schulischen Einsatz gibt es (noch) nicht, sodass Kompromisse eingegangen werden müssen. Tipps zur Headset-Wahl finden sich in den TaskCards des Autors (siehe Abschnitt Vertiefung).

Die Technologie hat sich technisch weiterentwickelt und VR-Brillen werden mittlerweile als Mixed-Reality-Headsets bezeichnet. Derartige Headsets besitzen ein hochauflösendes Farb-Passthrough, d.h. dass das Spektrum der virtuellen Welt um Elemente der realen Welt erweitert werden kann. Ein modernes Kamera-System ermöglicht diesen entscheidenden Fortschritt, um neuartige Lernwelten umzusetzen.

Beim Einsatz von VR-/AR-Technologien ist wichtig, dass Bildungsinstitutionen den Datenschutz nicht aus den Augen verlieren. Die Hersteller vertreiben B2B/Enterprise-Produkte (Verkauf von Unternehmen an Unternehmen) und Consumer-Produkte (Verkauf von Unternehmen an Endverbraucher). Bei der Anschaffung von Headsets sollten daher immer B2B-Headsets bzw. Enterprise-Varianten der Hersteller ausgewählt werden. Die Consumer-Headsets entsprechen häufig nicht den DSGVO-Anforderungen, die von Bildungseinrichtungen erfüllt werden müssen. Bei den B2B-Devices gibt es restriktivere Guidelines an den Datenschutz, den sogenannten Kiosk-Modus (d.h. ein Modus, in dem die Rechte des Benutzers eingeschränkt sind) und Nutzungsmöglichkeiten ohne Account.

Man sollte sich auf alle Fälle vor dem Kauf des Headsets damit beschäftigen, welchen Inhalt (engl.: Content) man woher abrufen kann. Einige Headsets verfügen über gewachsene Ökosysteme (App-Stores). Auch wenn die Apps sehr günstig sind, ist das Angebot an didaktisch sinnvoll einsetzbaren Lernangeboten in den App-Stores bislang noch sehr überschaubar. Hier dominieren meist Gaming-Anwendungen. Wiederum andere Headsets lassen spielend einfach die Installation von apk-Dateien von Drittanbietern zu. Dies ist der übliche Dateityp für VR-Anwendungen, den der Drittanbieter den Kunden in der Regel aushändigt.

VR/AR-Anwendungen (Content)

Mindestens ebenso wichtig wie geeignete Headsets ist die Auswahl passender VR/AR-Anwendungen. Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen gibt es sicherlich noch etwas mehr lernförderliche Anwendungen für ein kleines Budget in den verschiedenen App-Stores. Im berufsbildenden Bereich sind didaktisch sinnvoll einsetzbare VR/AR-Anwendungen in den Ökosystemen der Headsets eher selten zu finden. Hier gibt es jedoch aktuell einen wachsenden Markt an Unternehmen, die berufsspezifische Inhalte programmieren und vertreiben. Standardisierte Bildungsangebote über offizielle Vertriebswege der Hersteller sind für Schulen eher bezahlbar als individuelle Projektzuschnitte nach Kundenwunsch. Die Kosten für die letztgenannte Erstellungsvariante liegen nicht selten im fünfstelligen Bereich und sind für einzelne Bildungsträger nicht schulterbar. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und im Hinblick auf einen längerfristig planbaren Unterrichts- und Mitteleinsatz sollten für Schulen die wesentlichen Kriterien für eine Anschaffung unbefristete Lizenzen sein, die auf möglichst vielen Geräten einsetzbar sind.

Die kostengünstigste Variante der Content-Beschaffung ist es, Inhalte selbst oder in Kollaborationen zu erstellen. Bei der Erstellung im Rahmen von Kollaborationen ist es zentral, einen Partner zu finden, der die Programmierleistung übernimmt. Viele Hochschulen und Universitäten verfügen über das informationstechnische Knowhow und haben Budgets zur Umsetzung. Häufig fehlt es ihnen jedoch an der Identifizierung eines klaren Anwendungsfalls, der einen realen Praxisbezug aufweist. Auch Content-Entwickelnde sind aufgeschlossen für die Zusammenarbeit mit Lehrkräften. Daher wird inzwischen vermehrt Autorensoftware angeboten. Damit können Lehrende ohne Programmierkenntnisse selbst XR-Experiences erstellen.

Technische Infrastruktur

Ab einer gewissen Anzahl an Headsets sollte man sich auch Gedanken über die Ladeinfrastruktur und das Management machen. Einige Schulen erwerben kostspielige Infrastruktur-Systeme, während andere Schulen eigene DIY-Ladeinfrastrukturen bauen. Ladeüberwachung und Energiemanagement sind hier die zentralen Schlüsselbegriffe. Verwaltet man XR-Headsets im zweistelligen Bereich, ist die Frage nach einem Management-System durchaus gerechtfertigt. Hier sollte man sich zunächst beim Headset-Hersteller informieren. Andernfalls kann man sich auch auf das Angebot von Drittanbietern beziehen. Auf alle Fälle ist sicherzustellen, dass die Lernenden nur die Anwendungen auf den Headsets aufrufen können, die die Lehrkräfte für den Unterricht freigeben. Eigenmächtige Kaufhandlungen von Lernenden sowie die Einsicht in hinterlegte Zahlungsmittel können ebenfalls durch moderne Mobile-Device-Management-Systeme (MDM-Systeme) oder einen herstellerseitigen Kiosk-Modus vermieden werden. MDM-Systeme ermöglichen die Verwaltung, Überwachung und Sicherung von digitalen Endgeräten und sind zum Beispiel im Bereich der Tablets bereits an Schulen etabliert.

Experiences im beruflichen Bereich sind aus Platz- (siehe Abschnitt „Raummanagement“) und häufig auch aus Kostengründen nur von wenigen Lernenden zeitgleich nutzbar. Die übrigen Schüler:innen können mit alternativen Lernmethoden (z. B. Organisation eines Lernzirkels) im Lernprozess unterstützt werden, im Idealfall sehen sie die immersiven Eindrücke via Streaming auf einem größeren Bildschirm. Einige Headsets ermöglichen das Streamen schon in wenigen Sekunden und mit geringen Ausfallraten. Auf alle Fälle benötigt man hier ein gutes WLAN, um die Übertragung flüssig und ohne Verzögerung aufrechtzuerhalten. Moderne Smart-TVs unterstützen intern die Screen-Cast Funktion, während man bei älteren Geräten Streaming-Adapter benötigt. Kabelgebundes Streaming ist mittlerweile ebenso veraltet wie PC-VR-Streaming. Bei der letztgenannten Variante erfolgt die Rechenleistung auf einem performanten PC mit hoher Grafikleistung und der Inhalt wird auf das Headset gestreamt. Auch wenn dadurch hochauflösende Experiences möglich sind, ist die Technologie aufgrund des enormen Hardwareeinsatzes nicht mehr zeitgemäß. Nahezu alle relevanten Inhalte, die aktuell entwickelt werden, laufen ohne PC auf den Headsets.

Raummanagement: Platz, Sicherheit und Verwaltung

Um erste Erfahrungen im Bereich der VR-Technik zu sammeln, genügt zunächst der Einsatz eines oder weniger Headsets im konventionellen Klassenraum. Wichtig ist, dass der Raum ausreichend groß ist und über viel Platz zum Anwenden verfügt. Das Mobiliar sollte möglichst variabel sein, um flexible Unterrichtssettings zu organisieren. Bei einer intensiveren Nutzung empfiehlt es sich, ein separates Raumkonzept für diese Anwendung zu designen. Viele Schulen installieren im gleichen Raum auch Green-Screens, Maker-Spaces oder 3D-Drucker. Kostspielige Hardware sollte abschließbar sein. Ein Ticket-System zur Nutzung durch weitere Lehrkräfte wäre empfehlenswert. Hygienevorkehrungen sind ebenso zentral wie ein motivierendes On-Boarding-Konzept. Die Wartung und Pflege der Soft- und Hardware sowie der gesamten Räumlichkeit bringen erheblichen Mehraufwand mit sich und sollten im schulorganisatorischen Ressourcenplan mitbedacht werden.

Florian Brückner

Florian Brückner ist Berufsschullehrer für Elektrotechnik und Sozialkunde. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Einsatz von XR-Technik an beruflichen Schulen. Gemeinsam mit seinen Kollegen baute er am Beruflichen Schulzentrum Kronach ein XR-Labor auf und multipliziert das erlangte Wissen im Bereich der immersiven Medien regional und überregional. Aktuell ist er Projektleiter bei der Stiftung Bildungspakt Bayern und betreut den Schulversuch „clever clustern“. Die Erkenntnisse zum Thema VR/AR-Ausstattung entstammen dem Schulversuch PERLEN 4.0 der Stiftung Bildungspakt Bayern.