Spart KI Zeit beim Lernen?
Die rasante technologische Weiterentwicklung im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnet sowohl für Lehrende als auch für Lernende neuartige und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für Lehr-Lernprozesse. KI-basierte Anwendungen, vor allem KI-Chatbots, haben große Potenziale, Lernprozesse individueller und effizienter zu gestalten. In der Studie „KI@Bildung: Lehren und Lernen in der Schule mit Werkzeugen Künstlicher Intelligenz“ der Deutschen Telekom Stiftung wurden diese Potenziale für das System Schule detailliert beleuchtet und dienen im Folgenden zur Beantwortung der Frage.
KI-Chatbots können Lernprozesse effizienter gestalten
Ein KI-Chatbot kann als digitaler, personalisierter Lernbegleiter fungieren. Solche Chatbots lassen sich spezifisch für den jeweiligen Lerninhalt konfigurieren und damit prinzipiell in jedem Unterrichtsfach einsetzen. In dieser Funktion kann der KI-Chatbot bspw. Nachfragen beantworten, recherchieren oder Lerninhalte in unterschiedlichen Formaten darstellen. Der Chatbot übernimmt damit den didaktischen „First Level Support“, indem er den Schülerinnen und Schülern als erster Ansprechpartner dient, sobald der Lernprozess ins Stocken kommt. Diese individuelle Unterstützung ermöglicht es den Lernenden, den Lernprozess eigenständig und proaktiv zu gestalten. Die Unterstützungsmöglichkeiten sind vielfältig und können in unterschiedlichen Phasen des Lernprozesses eingesetzt werden. So ist der Chatbot in der Lage, Informationen aus dem Internet zu recherchieren, diese für den Lernenden zusammenfassend aufzubereiten und in unterschiedlichen Formaten (wie z.B. einem Podcast) zugänglich zu machen. Der Zugang zu Wissen wird dazu wesentlich vereinfacht und effizienter gestaltet. Statt also Wissen erst einmal zusammenzutragen und -zustellen, können sich die Lernenden auf die Aneignung dieses Wissen fokussieren und damit Zeit sparen. Verständnisfragen kann der Chatbot sofort beantworten, ein Warten auf die Lehrkraft entfällt damit. Auch beim Üben und der Selbstevaluation lässt sich ein Chatbot unterstützend einsetzen. So lassen sich automatisiert Übungs- oder Evaluationsaufgaben in unterschiedlichen Formaten erstellen (z.B. Lückentexte, Kreuzworträtsel, mathematische Aufgaben, Quiz, etc.) und diese auch vom Chatbot evaluieren, was ebenso zu einer Zeitersparnis führen kann.
Risiken beim Einsatz von KI-Chatbots
Bei all den Potenzialen, die Chatbots zur Unterstützung von Lernprozessen bieten, dürfen jedoch auch die Risiken nicht verschwiegen werden.
So ist ein strukturelles Problem von solchen Chatbots, dass sie zu Halluzinationen neigen, dass also Informationen und Quellen erfunden werden, um eine gestellte Frage zu beantworten oder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit für solche Halluzinationen mit der Weiterentwicklung von Großen Sprachmodellen, auf denen Chatbots basieren, abnimmt, kann das Auftreten von Halluzinationen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Eine kritische Reflexion der Antworten eines Chatbots bleibt damit weiterhin unerlässlich.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass durch die ausufernde Nutzung von Chatbots die aktive Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Lerninhalt und dem Lernprozess reduziert wird. Eine aktive Auseinandersetzung ist jedoch die Voraussetzung für die Konstruktion von Wissen und die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Kontrolle über den Lernprozess darf dabei nicht einfach an den Chatbot abgegeben werden. Ein Chatbot sollte also lediglich unterstützend für den eigenen Lernprozess eingesetzt werden, was jedoch entsprechende Selbstregulationsfähigkeiten bei den Lernenden voraussetzt. Für ein erfolgreiches Lernen mit Chatbots ist damit die Fähigkeit zur Selbstregulation ein entscheidender Faktor. Lehrkräfte sind damit gefordert, diese Fähigkeit bei ihren Schülerinnen und Schülern im Besonderen bezüglich des Einsatzes von Chatbots gezielt und kumulativ über alle Jahrgangsstufen hinweg zu fördern.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass KI-basierte Anwendungen, insbesondere KI-Chatbots, das Potenzial haben, Lernprozesse effizienter zu gestalten und damit Zeit sowohl bei den Lehrenden als auch den Lernenden zu sparen. Voraussetzung dazu ist allerdings ein reflektierter Einsatz zu einer gezielten Unterstützung, was wiederum ausgeprägte Fähigkeiten zur Selbstregulation voraussetzt.
Vertiefung
In diesem Bereich finden Sie Links und Literatur, um sich noch weiter mit dem Thema zu beschäftigen, und die Quellenangaben für den Beitrag.
Quellenangaben
Was Sie auch interessieren könnte:
Prof. Dr. Sebastian Becker-Genschow

Prof. Dr. Sebastian Becker-Genschow leitet das Forschungsgebiet Digitale Bildung mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz am Department Didaktiken der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Universität zu Köln. Er war zuvor mehrere Jahre Lehrer für Physik und Mathematik, bevor er zu technologieunterstütztem Physikunterricht an der TU Kaiserslautern promovierte. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Unterstützung von Lehr-Lernprozessen im MINT-Bereich durch KI-basierte Technologien in Schule und Universität sowie die digitalisierungsbezogene Professionsentwicklung von Lehrkräften.
Kontakt:
sebastian.becker-genschow@uni-koeln.de
https://physikdidaktik.uni-koeln.de/digitale-bildung
https://de.linkedin.com/in/prof-dr-sebastian-becker-genschow-a15b18296