1. August 2025

Passen (digitale) Spiele und Lernen tatsächlich zusammen?

Frage beantwortet von:
Fabian Reinwarth und Meg Farrell

Sofern nichts anderes angegeben wurde, stehen die Inhalte dieser Seite unter der genannten Lizenz (CC BY-SA 4.0). Verlinkte Inhalte sind von der Lizenz unberührt. Unter Beachtung der Lizenzbedingungen müssen die beteiligten Autorinnen und Autoren (Fabian Reinwarth und Meg Farrell) und der Veröffentlichungsort lernen:digital Zukunftsraum genannt werden.

Ja, digitale Spiele und Lernen passen sehr gut zusammen. Aus der Forschung geht hervor, dass digitale Spiele, die für Lernzwecke entwickelt wurden, im Durchschnitt mit besseren Lernergebnissen der Schüler:innen einhergehen. Doch welche Arten von Lernergebnissen werden mit digitalem spielbasiertem Lernen gefördert? Für wen und in welchen Kontexten kann es im Unterricht am effektivsten eingesetzt werden?

Diese Fragen beantworten wir basierend auf Erkenntnissen aus ausgewählten Forschungssynthesen (siehe Infobox und Quellenangaben). Wir verwenden im Folgenden die Abkürzung DGBL („digital game-based learning”), man kann aber auch von „Serious Games” sprechen.

Was genau sind Lernspiele?

Shaffer et al. (2005) beschreiben spielbasiertes Lernen als (digitale) Spiele mit festgelegten Lernzielen. Nehmen wir das Beispiel von Schüler:innen im Englischunterricht in der Sekundarstufe I. Anstatt aus Texten und Übungen in Lehrbüchern zu lernen, könnten sie in einem Videospiel ihre Englisch-Fähigkeiten anwenden (z. B.: Game On!, siehe Vertiefung).

Genauer gesagt ist DGBL „ein System, in dem Spieler in einen künstlichen, durch Regeln definierten Konflikt eintreten, der zu einem quantifizierbaren Ergebnis führt“ (Salen & Zimmerman, 2004). Lernspiele schaffen ein Gleichgewicht zwischen der Förderung des Spielens und der Vermittlung von Lerninhalten (Plass et al., 2015). DGBL kann in verschiedenen Spielarten stattfinden (Cai et al., 2022; Chen et al., 2020):

  • Action/Abenteuer
  • Strategie
  • Puzzles
  • Simulationen
  • Rollenspiele

Wie unterscheidet sich ein Lernspiel von Gamification?

Die Unterscheidung zwischen DGBL und Gamification im Lernbereich lässt sich anhand der Verwendung von Spielattributen treffen. Nach Plass et al. (2015) gibt es neun Kategorien, in denen zusammengefasst wird, welche Elemente Lernengagement und -erfolg der Schüler:innen fördern (z. B. „Regeln und Ziele“, Konflikte oder Herausforderungen“, „Immersion“ (Bedwell et al., 2012; Landers, 2015)).

Lernspiele enthalten in der Regel alle Spielattributkategorien, die auf verschiedene Weise zum Ausdruck kommen. Beispielsweise könnte ein spielbasierter Chemieunterricht die Simulation von Chemieexperimenten in einem virtuellen 3D-Labor beinhalten.

Bei der Gamifizierung werden einige der Spielattribute auf Nicht-Spielkontexte angewendet und an diese angepasst. So könnte die Gamifizierung eines Chemieunterrichts die Vergabe von Punkten oder Abzeichen für erfolgreich abgeschlossene Aufgaben umfassen (Landers, 2015).

Warum sollten Lernspiele im Unterricht verwendet werden?

Plass und Kollegen (2015) nennen mehrere Vorteile von DGBL:

  • Motivation und Engagement: Es kann die Motivation und das Engagement der Lernenden durch unterhaltsame und interessante Aktivitäten sowie durch Anreize wie Punkte, Abzeichen, Ranglisten und Auszeichnungen fördern.
  • Adaptivität: Darüber hinaus kann DGBL sich an die Bedürfnisse der Lernenden anpassen, indem es auf ihre Fähigkeiten und ihr Tempo eingeht und ihnen angemessene Hilfe oder Herausforderungen bietet.
  • Risikobereitschaft: Schließlich bieten Lernspiele aufgrund der geringen Konsequenzen von Fehlern die Möglichkeit zum „eleganten Scheitern” als Teil des Lernprozesses, was die Bereitschaft zum Erkunden und Eingehen von Risiken fördern kann.

Ist spielbasiertes Lernen effektiv?

Ergebnisse aus mehreren Metaanalysen bestätigen, dass DGBL im Vergleich zu traditionellen Lernmethoden geringe bis mittlere positive Auswirkungen auf die Lernergebnisse hat (Barz et al., 2024; Chen et al., 2020) und einen größeren Einfluss in MINT-Fächern (Wang et al., 2022; Gui et al., 2023). In Bezug auf spezifische Lernergebnisse hat sich gezeigt, dass DGBL kognitive Fähigkeiten, den Wissenserwerb und die Wissensspeicherung (Barz et al., 2024), Problemlösungsfähigkeiten – insbesondere in Kombination mit relevanten Unterrichtsstrategien – (Cai et al., 2025) und kritisches Denken – insbesondere in Rollenspielen – (Mao et al., 2022) fördert.

Unterstützende Hilfestellungen innerhalb von DGBL (z. B. Aufforderungen zum Nachdenken, Hinweise) können ebenfalls das Lernen verbessern (Cai et al., 2022), während sich Wettbewerb in digitalen Spielen als wirksam für das Lernen von Mathematik, Naturwissenschaften und Sprachen erwiesen hat (Chen et al., 2020). Die meisten dieser Metaanalysen fanden keine Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen den Altersgruppen, was darauf hindeutet, dass DGBL einen positiven Einfluss auf alle Lernenden haben kann. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass spielbasiertes Lernen eine hilfreiche Strategie sein kann, um das Lernen innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers zu fördern.

Forschungssynthesen und Clearing Houses

Eine Forschungssynthese kombiniert und fasst die Ergebnisse mehrerer Studien zu einem bestimmten Thema zusammen, um umfassendere Erkenntnisse zu gewinnen. Die Forschungssynthese-Methode der Metaanalyse bietet eine statistische Gesamtübersicht über die Wirksamkeit einer Intervention (z. B. Lehrmethode, Lerninstrument) sowie über den Einfluss verschiedener Faktoren der Intervention (z. B. Eigenschaften der Lernenden, Elemente des Lernkontexts).

Um mehr Übersichtsstudien zu digitalem Lernen zu lesen, besuchen Sie das Handlungsfeld Forschung des Kompetenzverbund lernen:digital und die von ihm unterstützten Clearinghouse-Projekte.

Ein Clearinghouse ist im Allgemeinen eine zwischengeschaltete Organisation, die Informationen sammelt und informell an relevante Interessengruppen weitergibt. In der Bildungsforschung bieten Clearinghouse-Projekte eine Plattform für Produkte und Dienstleistungen zur Übersetzung, Übertragung und Verbreitung von Bildungsforschungsinformationen (oft aus Forschungssynthesen), um Bildungspraktiker:innen und andere relevante Transferakteure zu unterstützen.

Vertiefung

In diesem Bereich finden Sie Links und Literatur, um sich noch weiter mit dem Thema zu beschäftigen, und die Quellenangaben für den Beitrag.

Fabian Reinwarth
Foto Fabian Reinwarth

Fabian Reinwarth ist seit 2024 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Technischen Universität München (TUM). Er arbeitet im Kompetenzverbund lernen:digital in der Transferstelle sowie im Clearing House Unterricht. In seiner Dissertation untersucht er, wie Lehrkräfte Wissen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. Zusammenfassungen in einfacher Sprache) effizient verarbeiten und in ihr pädagogisches Denken und Handeln übertragen können.

Dr. Meg Farrell
Foto Dr. Meg Farrell

Dr. Meg Farrell ist Postdoktorandin am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie (Prof. Tina Seidel) an der Technischen Universität München (TUM). Derzeit arbeitet sie für die Forschungsprojekte des Kompetenzverbundes lernen:digital und für das Clearing House Unterricht. Im Team der Clearingstelle Unterricht ist sie als Koordinatorin der Kurzreviews tätig. Sie trägt auch zur gemeinsamen Entwicklung von Produkten für den Forschung-Praxis-Transfer bei.