Spielt es für das Verinnerlichen von Inhalten eine Rolle, welche (digitalen) Notizwerkzeuge ich verwende?
Es gibt in der Forschung bisher keine eindeutige Antwort darauf, in welcher Form das Schreiben besonders lernförderlich ist. Zu berücksichtigen sind hier immer die konkreten Lernziele, die Fähigkeiten und Erfahrungen der Schüler:innen und der Kontext, in dem das entsprechende Schreibwerkzeug eingesetzt wird. Man kann hier zum Beispiel unterscheiden zwischen den Phasen des Schreibenlernens und des Schreibenkönnens.
… wenn wir schreiben lernen
Das Schreiben von Hand erfordert eine Vielzahl von Bewegungsabläufen, die für die Entwicklung von Feinmotorik und kognitiven Fertigkeiten wichtig sind. Im Vergleich zum Tippen auf einer Tastatur werden beim Handschreiben durch die Gleichzeitigkeit vielfältiger motorischer und visueller Tätigkeit bestimmte Gehirnregionen aktiviert (Van Der Meer & Van Der Weel, 2017). Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass das Handschreiben auch einen positiven Einfluss auf Rechtschreibkompetenzen hat. Auch mit neuen digitalen Möglichkeiten spielt das Erlernen der Handschrift deshalb weiter eine wichtige Rolle.
Mehrere Studien zeigen, dass der Untergrund, auf dem das erste Schreiben passiert, dabei von Bedeutung ist (Alamargot & Morin, 2015; Gerth, Dolk et al., 2016, Gerth, Klassert et al., 2016). Schreibanfänger:innen scheinen auf der rutschigen Tablet-Oberfläche Schwierigkeiten in der Ausführung von Schreibbewegungen zu haben, weil es mehr Kontrolle erfordert. Durch die fehlende Reibung zwischen Stift und Papier muss man mehr Druck aufbringen. Kinder, für die das Schreiben neu ist, können hierbei Schwierigkeiten haben.
Mit Schreiberfahrung fällt es älteren Schüler:innen aber leichter, ihre Bewegungen der Displayoberfläche entsprechend anzupassen (Alamargot & Morin, 2015). Einige Studien zeigen, dass auf dem Tablet meist schneller geschrieben wird, die Lesbarkeit jedoch etwas schlechter ist als beim Schreiben auf Papier. Auch das ist unter anderem mit der geringeren Reibung beim Schreiben auf dem Display zu erklären (Gerth, Dolk et al., 2016, Gerth, Klassert et al., 2016).
Verschiedene Tablet-Apps können eine sinnvolle Ergänzung zum „traditionellen“ Schreibenlernen bieten. Besonders Kinder, deren graphomotorische Fähigkeiten weniger stark ausgeprägt sind, können hier mit gezielten Übungen Fortschritte machen. Anwendungen, die bspw. Rückmeldung zu der Ausführung bestimmter Schreibbewegungen geben, können auf individuelle Bedürfnisse eingehen und somit das eigenständige Erlernen der Handschrift unterstützen (Bonneton-Botté et al., 2020; Dui et al., 2020).
… wenn wir schon schreiben können
Wenn wir schon schreiben können, stellt sich eher die Frage, welche Form des Schreibens sich gut für welche Ziele eignet. Studien, die diesen Zusammenhang untersuchen, vergleichen dabei meist das Handschreiben mit Stift und Papier mit dem Tastaturschreiben. Sie konzentrieren sich dabei weniger auf das Tablet, das mit seinen unterschiedlichen Eingabemethoden (Stift, Bildschirmtastatur und externe Tastatur) nicht immer eindeutig zuzuordnen ist.
- Schreiben zum Lernen neuer Inhalte. Darüber, ob bestimmte Schreibwerkzeuge zu mehr Lernerfolg führen, können Forschende noch keine eindeutige Aussage machen. Beispielsweise zeichnen die Ergebnisse mehrerer Metaanalysen, die die Lernförderlichkeit von handschriftlichen und getippten Lern-Notizen vergleichen, ein gemischtes Bild (ein Überblick in Flanigan et al., 2024). Einige Befunde deuten jedoch darauf hin, dass mit handschriftlichen Notizen bessere Lernergebnisse (z. B. behaltene Informationen, Testergebnisse, Noten) erzielt werden können. Hierfür kann es verschiedene Gründe geben (siehe beispielsweise Flanigan et al., 2023, 2024; Lau, 2020; Voyer et al., 2022). Es wird angenommen, dass das Schreiben von Hand zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Inhalt führt als das Tippen mit einer Tastatur. Das liegt daran, dass die Schreibgeschwindigkeit beim Handschreiben geringer ist als beim Tastaturschreiben und Notizen damit nicht den Wortlaut wiedergeben können, sondern stärker zusammenfassen und paraphrasieren müssen. Wenn man sich also beispielsweise im Unterricht Notizen macht, muss man beim Mitschreiben von Hand mehr gedankliche Eigenleistung erbringen. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass handschriftliche Notizen tiefer verarbeitet werden und man Inhalte so besser behält. Auch können lernförderliche Elemente wie Skizzen, Mindmaps, Diagramme etc. in handschriftlichen Notizen besser erstellt werden. Andere Erklärungen beziehen mit ein, dass beim Mitschreiben mit Tastatur auch immer ein digitales Gerät involviert ist, das mit Internetzugang und vielfältigen Programmen eine Quelle für größere Ablenkung darstellen kann. Allerdings können sich viele verschiedene Faktoren darauf auswirken, wie gut welche Schreibwerkzeuge eingesetzt werden können, beispielsweise die zu lernenden Inhalte, Lernziele, ob die Notizen überarbeitet oder wiederholt werden können, etc. Auch beziehen sich viele dieser Studien auf studentische Gruppen, sodass nicht gesichert ist, ob bei Schüler:innen ähnliche Effekte zu erwarten sind.
- Schreiben zum Erstellen von Texten. Für das Verfassen längerer Texte kann es hilfreich sein, mit einer Tastatur zu schreiben. Das schnellere Schreiben ist hier von Vorteil. Während die vereinfachte Motorik des Tippens beim Schreibenlernen ein Hindernis ist, ist sie hier ein Vorteil: Erfahrene Schreiberinnen können dadurch mehr mentale Kapazität für die Textkomposition aufbringen (Hennes et al. , 2022). Digitales Schreiben – sowohl mit einer Tastatur als auch mit einem entsprechenden Stift auf einem Tablet – vereinfacht zudem das Be- und Überarbeiten von Texten und ermöglicht eine multimediale Aufbereitung von Inhalten (Stapelton, 2012). Damit besteht die Chance, Schülerinnen kollaborativ arbeiten zu lassen und ihre digitalen Kompetenzen zu fördern.
Fazit
Es gibt nicht die eine, besonders lernförderliche Form des Schreibens. Stift und Papier bleiben wichtig, besonders für das Erlernen der Handschrift. Eine Integration digitaler Anwendungen ist aber in vielen Lernsituationen sinnvoll und kann individuelle Lernprozesse unterstützen.
Vertiefung
In diesem Bereich finden Sie Literatur, Materialien und Links, um sich noch weiter mit dem Thema zu beschäftigen, und die Quellenangaben für den Beitrag.
Links und weiterführende Literatur
- Faktencheck: Handschrift in der digitalisierten Welt (Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache)
- Faktencheck: Lesen und Schreiben lernen in der digitalisierten Gesellschaft (Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache)
- Durch Schreiben lernen: Wie wirksam ist Schreiben als Lernaktivität in verschiedenen Unterrichtsfächern? (TUM School of Social Sciences and Technology – Clearing House Unterricht)
- Basiswissen: Schreiben in und mit digitalen Medien (Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache)
Quellen
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